Schnippeln, essen, Freunde? - Fremde treffen sich zu Kochpartys
Bremen (dpa) - Wir teilen Autos, Werkzeug und sogar Abendkleider. Wieso nicht auch die eigene Küche? Über „Cookasa“ kann man sich mit Fremden zum Kochen verabreden. Das Ergebnis ist Geschmackssache.
Thomas rührt im Risotto. Erika zupft Petersilie. Gastgeber Daniel schenkt Aperol Spritz ein. Annika, Delia und André decken den Tisch. Den ganzen Tag freuen sie sich schon auf das gemeinsame Essen. „Es riecht auch schon lecker“, meint Delia und späht Thomas über die Schulter. Alle packen mit an - so ist das, wenn Freunde zusammen kochen. Nur, dass sich die sechs Bremer an diesem Abend zum ersten Mal begegnen.
Übers Internet haben sie sich zu der Küchenparty verabredet. „ Cookasa“ bringt seit vergangenem Herbst Fremde zum Brutzeln und Speisen zusammen. Bei wem gekocht wird und wer sich um das Gericht und den Einkauf kümmert, entscheidet das Zufallsprinzip. „Die anderen sind Küchenhelfer und erledigen den Abwasch“, erläutert André Wollin, der das Netzwerk mit drei Freunden gegründet hat und regelmäßig in fremden Küchen mitkocht, diesmal bei Daniel. 1500 Kochfans in 15 Städten von Hamburg bis Freiburg haben sich inzwischen angemeldet. Die meisten sind zwischen 20 und 40 Jahre alt.
Ob mit Freunden, Kollegen oder Fremden - Kochpartys sind total angesagt. Der Trendforscher Peter Wippermann erklärt sich das so: „Kochen gehört nicht mehr zum Alltag. Es ist deshalb etwas Besonderes, was man als Event organisiert.“ Für die steigende Zahl der Singles lohnt es sich einfach nicht mehr zu kochen, abgesehen davon, dass es alleine wenig Spaß macht. Und auch in Familien mit berufstätigen Eltern fallen die gemeinsamen Mahlzeiten häufig aus.
„Der Alltag schnürt uns in ein starkes Zeitkorsett. Da ist schon die selbst gemachte Pizza eine Herausforderung, weil der Hefeteig zwei Stunden gehen muss“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Gesa Schönberger, die mehrere Bücher über den Wandel der Esskultur herausgegeben hat. Stattdessen essen die Kinder in Kita und Schule, Erwachsene gehen in die Kantine oder holen sich ein belegtes Brötchen auf die Hand. Abends müssen Tiefkühlpizza und Bringdienst herhalten.
„Essen findet in unserem Leben viel zu oft nebenbei statt“, meint Schönberger. Nicht nur der Genuss bleibt da auf der Strecke. Vielen fehlt auch die Geselligkeit und das heimelige Gefühl. Ein Grund, weshalb geheime Restaurants so beliebt sind. Man speist an privaten Esstischen, bekommt hausgemachte Kost serviert und trifft meist noch nette Leute. Mittlerweile gibt es Guerilla-Lokale sogar in kleinen Orten wie dem fast 19 000 Einwohner zählenden Wildeshausen bei Bremen.
Um die unüberschaubare Landschaft der geheimen Gourmettempel etwas zu bündeln, haben drei junge Berliner die Homepage „Supperclubbing“ gegründet. Auf der können Nutzer seit etwa einem halben Jahr nach Orten, aber auch nach Vorlieben wie Bio, vegan oder laktosefrei suchen. „Wir wollen es so einfach wie möglich machen“, sagt Nikolai Schmidt. Zum Teil lesen sich die Menüs wie die in professionellen Restaurants. Diesen Anspruch hat „Cookasa“ dagegen nicht.
In Daniels winziger Küche gibt es nur zwei Kochplatten. Annika und Delia müssen sich ein Schneidebrettchen auf dem Wohnzimmertisch teilen. Die Rote Beete kommt aus dem Glas, Salatblätter müssen den Spinat ersetzen. Doch das stört keinen. Wegen des Essens allein ist Thomas, der leidenschaftlich gerne kocht, nicht dabei. „Man lernt Leute kennen, die man sonst nicht treffen würde.“ Unangenehmes Schweigen kommt über das viele Geschnippel und Gerühre gar nicht erst auf.
Am Ende sind alle mit dem Ergebnis mehr oder weniger zufrieden. Interessant finden die einen, etwas zu zwiebellastig die anderen. So oder so, der Topf wird leer.