Urteil Schutzimpfung für Kinder: Gegnerin scheitert vor Gericht
Der Bundesgerichtshof stärkt in einem Elternstreit die Befürworter von Kinderschutzimpfungen. Zur Begründung heißt es: Medizinisch anerkannte Standardimpfungen dienen dem Kindeswohl.
Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hält die üblichen Schutzimpfungen für Kinder für medizinisch angebracht. Streiten sorgeberechtigte Eltern über Impfungen für ihre Kinder, müssen Familiengerichte künftig dem Elternteil die Entscheidungskompetenz übertragen, "dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kinds besser gerecht wird", heißt es in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten BGH-Beschluss. (Az. XII ZB 157/16)
Im Ausgangsfall stritten die gemeinsam sorgeberechtigten nichtehelichen und getrennt lebenden Eltern, ob ihre heute fast fünf Jahre alte Tochter geimpft werden sollte oder nicht. Die Mutter, bei der das Mädchen lebt, war wegen möglicher Impfrisiken und Befürchtungen einer "unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft" gegen die Schutzimpfungen.
Der Vater sprach sich für die altersgemäßen und von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (Stiko) empfohlenen Schutzimpfungen aus und zog vor Gericht. Das Amtsgericht Erfurt übertrug daraufhin das Entscheidungsrecht dem Vater. Das Oberlandesgericht Jena beschränkte dies auf Schutzimpfungen gegen neun Krankheiten, darunter Masern, Mumps, Röteln und Keuchhusten.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Mutter blieb vor dem BGH ohne Erfolg: Schutzimpfungen seien für ein Kind von "erheblicher Bedeutung", heißt es in dem Beschluss. Sie könne deshalb nicht allein darüber entscheiden, nur weil ihr Tochter bei ihr lebe.
Streiten Eltern über Belange von erheblicher Bedeutung, könne das Familiengericht auf Antrag dem Elternteil die Entscheidung übertragen, dessen Lösung dem Kindeswohl besser gerecht wird. Dies sei im Streitfall der Vater, weil er sich an den Impfempfehlungen der Stiko orientiere. Diese Empfehlungen wurden vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt.
Unterdessen hat sich Gesundheitsminister Hermann Gröhe gegen eine Impfpflicht wie gerade in Italien eingeführt ausgesprochen, um die Masern endgültig aus Deutschland zu verbannen. Die neuen Maßnahmen zur Erhöhung der Impfbereitschaft seien schon scharf, sagte Gröhe der Deutschen Presse-Agentur am Montag am Rande der Jahrestagung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf auf die Frage, ob eine Impfpflicht in Frage komme. „Ich glaube, dass unsere Maßnahmen das Ziel erreichen werden.“ Am Wochenende war in Essen eine 37-jährige Frau an Masern gestorben. (AFP/dpa)