Selbsthilfegruppen: Über die Krankheit reden
Wie Patienten und Ärzte profitieren. Ärztekammer hat Adressen von 1400 Kontaktstellen aktualisiert.
Düsseldorf. Als der Sohn von Nicole Baessgen-Wylezol vor elf Jahren geboren wurde, hatten sie und das Kind schwere Zeiten durchzustehen. Direkt nach der Geburt wurde das Baby wegen eines Herzfehlers operiert. Die Mutter war froh, dass sie direkt Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe fand, für die sie mittlerweile selbst Kontaktperson für den Raum Düsseldorf ist.
„Es ist so wichtig, zu erfahren, dass man nicht allein ist mit seinen Ängsten und Sorgen“, sagt sie heute. „Dass man sich austauschen kann, von den Erfahrungen der anderen lernt. Wie sie mit der Krankheit umgehen und leben.“ Aber auch Erfahrungen ganz praktischer Art: wie man etwa einen Schwerbehindertenausweis bekommt.
Baessgen-Wylezol beschreibt: „Wir treffen uns viermal jährlich zum Stammtisch, und vor allem bringen wir unsere Kinder an Nachmittagen zusammen. Denen hilft es sehr zu sehen, dass sie nicht allein mit ihrem Problem sind.“ Und die Elterngruppe versucht, Ärzte als Ansprechpartner zu gewinnen. So wie den Düsseldorfer Kinder- und Jugendarzt Hermann Josef Kahl, der auch mal einen Vortrag über das Impfen von Kindern hält.
Kahl hält Selbsthilfegruppen für sehr wichtig. Um beim Beispiel der herzkranken Kinder zu bleiben: „Viele Eltern müssen erleben, wie ihr Säugling schon im ersten Lebensjahr mehrere Operationen überstehen muss. In dieser emotional belastenden Situation ist es wichtig, dass wir die Menschen mit anderen betroffenen Familien zusammenbringen, die ihnen Hoffnung und praktische Hilfen im Umgang mit der Krankheit geben können.“
Auch er profitiere von dem engen Austausch der Elterngruppen. „So erhalte ich wertvolle Tipps über Rehabilitationsmaßnahmen, über den erfolgreichen Umgang mit Behörden, über Freizeitangebote für betroffene Familien und deren Kinder.“ Und eben diese Erfahrungen kann er an andere Patienten weitergeben, Kontakte vermitteln.
Eben das können und sollen auch andere Ärzte, die ebenso wie Krankenhäuser und Gesundheitsämter in diesen Tagen die aktualisierte Broschüre „Gesundheitsselbsthilfe“ der Ärztekammer Nordrhein bekommen. Darin enthalten: 1400 Adressen von Selbsthilfegruppen aus NRW. Da kann der Hautarzt dem Patienten eine Vitiligo-Gruppe nennen. Oder der Lungenarzt eine Mukoviszidose-Gruppe.
Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, versichert, dass seine Kollegen in solchen Selbsthilfegruppen längst nicht mehr eine „Unterminierung ihrer ärztlichen Autorität“ sehen. „Wir sind doch nicht die einzigen, die helfen können“, sagt er. Und: „Je länger jemand eine Krankheit hat, umso mehr wird er zum Fachmann eben dieser Krankheit — und von diesem Wissen, gebündelt in einer Selbsthilfegruppe, profitiert auch der Arzt. Und sei es auch nur bei ganz alltäglichen Fragen wie Tipps für den Umgang mit Hörgeräten.