Seltzer-Männer sorgen für Sprudelwasser-Hype in New York
New York (dpa) - Eine Glasflasche nach der anderen nimmt Alex Gomberg aus einem Kasten heraus und steckt sie in eine altertümlich wirkende Maschine. „Das Teil hier stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert“, sagt der 28-Jährige in das laute Zischen hinein.
Das rotierende Metallkarussell befüllt die blauen, grünen und durchsichtigen Flaschen aus dickem Glas mit Sprudelwasser. Knapp ein Liter dreifach gefiltertes New Yorker Leitungswasser passt in jede der Siphonverschlussflaschen.
Gomberg schwitzt, in seinem kleinen Fabrikraum mitten in dem Industrieviertel Canarsie in Brooklyn ist es heiß und feucht. Er nimmt eine Flasche aus der Maschine heraus und spritzt sich eine Fontäne in den Mund. „Ah! Es gibt nichts besseres als Seltzer.“ Das ist ein Begriff für Mineralwasser im Englischen.
Eigentlich wollte Gomberg nie an dieser Abfüllanlage stehen. Der Fan des New Yorker Baseballteams Mets hatte ganz andere Pläne und machte vor zwei Jahren seinen Uni-Abschluss in Sportmanagement. Aber dann fand er auf Anhieb keinen Job in der Branche und kehrte doch in die familieneigene Sprudelwasser-Abfüllerei „Gomberg Seltzer Works“ zurück. Als sein Urgroßvater die Firma 1953 gründete, boomte das Business: Allein in New York belieferten Hunderte sogenannter Seltzer-Männer Tausende Kunden. Sprudelwasser bekamen die Menschen genauso selbstverständlich nach Hause gebracht wie Milch oder Eier.
Rund 60 Jahre später ist die Branche übersichtlich geworden. Vier unabhängige Abfüller gibt es Gomberg zufolge noch in den gesamten USA. In der Millionenmetropole New York ist sein kleiner Betrieb der letzte. Von den Hunderten Seltzer-Männern sind genau sechs übrig geblieben. Sie sind alle inzwischen deutlich über 60 Jahre alt, der älteste sogar schon 82. „Alternde Seltzer-Männer mit alternden Kunden“, wie Gomberg sagt. Er ist nun die Nummer sieben. „Ich bin der jüngste Seltzer-Mann der Stadt, wahrscheinlich sogar der Welt.“
Der Sprudelwasser-Verbrauch in den USA ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Während in Deutschland Wasser mit Kohlensäure und Schorlen gerade im Sommer völlig selbstverständlich sind und 2014 rund neun Millionen Liter reines Sprudelwasser verkauft wurden, bevorzugen US-Amerikaner meist stilles Wasser oder Limonaden aller Art. Der Getränkemarkt sei immer vielfältiger geworden und die Frauen begannen zu arbeiten und waren nicht mehr zu Hause, um die Seltzer-Lieferungen anzunehmen, erklärt Gomberg. So sei das Seltzer in New York nach und nach immer seltener geworden. In Supermärkten verschwindet das Sprudelwasser inzwischen meist fast im Überangebot anderer Getränke.
Und doch gibt es nun ein Comeback. Um fast ein Drittel sei der Verbrauch in den USA zwischen 2008 und 2013 gestiegen, berichtete jüngst das „Wall Street Journal“ und jubelte: „Das Zischen ist zurück.“ Für Gomberg, der vor einem Jahr Vater eines kleinen Jungen geworden ist, sind das gute Nachrichten bei seinem Versuch, das kriselnde Familienunternehmen wieder erfolgreich zu machen.
Vater und Onkel konzentrieren sich inzwischen ganz auf den in einen angrenzenden Flachbau ausgelagerten Getränkegroßhandel. Durch ein viereckiges Guckloch in der Wand sind die Büros verbunden. „Irgendwann möchte ich diesen Teil des Betriebs schließen können, weil das Seltzer-Business wieder so erfolgreich ist“, sagt Vater Kenny Gomberg. „Ich bin wirklich stolz auf Alex.“ Der kann von seinem Sprudelwasser inzwischen leben. Einerseits befüllt er etwa zweimal die Woche die Flaschen der sechs verbleibenden New Yorker Seltzer-Männer, andererseits ist er unter der Marke „Brooklyn Seltzer Boys“ sein eigener Seltzer-Mann und beliefert regelmäßig mehrere Hundert Privatkunden, Restaurants sowie Veranstaltungen.
Ein Kasten mit zehn Flaschen kostet bei ihm etwa 40 Dollar (rund 36 Euro), deutlich mehr als im Supermarkt. Aber seine meist jungen Kunden wünschten sich den Lieferservice, sagt Gomberg - und vor allem auch die Ästhetik. Alle Seltzer-Männer benutzen alte und wiederverwendbare Siphonverschlussflaschen in Holzkästen. „Wir sind so retro, wie es überhaupt nur geht - und die Kunden lieben das.“ Die meisten der Flaschen sind handgeblasen, stammen aus der früheren Tschechoslowakei und werden heute so nicht mehr hergestellt. Viele frühere Seltzer-Männer haben ihre Namen eingravieren lassen. „Jede Flasche erzählt eine Geschichte“, sagt Gomberg. „Wenn eine kaputt geht, weine ich.“
Die fertig aufgefüllten Sprudelwasserkästen, die nun 30 Kilogramm pro Stück wiegen, hievt Gomberg auf die Ladefläche seines weißen Lieferwagens. Jedem seiner Kunden bringt er das Seltzer persönlich vorbei, auch dem Restaurant, das eine Zeit lang 20 Kästen in den zweiten Stock geliefert haben wollte. „Da braucht man kein Fitnessstudio“, sagt Gomberg und geht zu seinem Lieferwagen. „Good Seltzer Should Hurt“, steht auf der Rückseite seines grünen T-Shirts. „Gutes Seltzer sollte wehtun.“