Tinnitus: Leben mit dem Pfeifen im Ohr
Eine Verhaltenstherapie hilft dabei, nicht auf die Geräusche zu achten — und wieder Lebensqualität zu bekommen.
Mainz. Es pfeift, klopft, klingelt, rauscht. Und niemand, außer dem Betroffenen, kann es hören. Ein Tinnitus spielt sich im Kopf ab. Was ihn auslöst, ist immer noch unklar. Bei manchen Menschen verschwinden die Ohrgeräusche innerhalb weniger Tage von selbst. Andere müssen jahrzehntelang mit ihnen leben.
Eine kognitive Verhaltenstherapie kann dann helfen, nicht mehr ständig darauf zu hören. Forscher aus Mainz haben ein solches Training nun erstmals in Deutschland online angeboten — mit Erfolg.
Was ein Tinnitus ist, dazu gibt es unterschiedliche Definitionen. „Wir sagen, es ist jegliches Ohrgeräusch, das nicht durch externe Quellen hervorgerufen wird“, erklärt Maria Kleinstäuber, Psychologin an der Universität Mainz. „Stress und viel Arbeit alleine verursachen keinen Tinnitus“, sagt Prof. Wolfgang Delb von der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Chronischer Lärm könne dagegen zu einem Hörschaden und in der Folge zu einem Tinnitus führen. Auch ein sehr lauter Knall oder eine Innenohrentzündung könnten die Ohrgeräusche auslösen.
Die Schädigung des Innenohrs führt dazu, dass nicht genügend elektrische Impulse vom Ohr zum Gehirn weitergeleitet werden. Kleinstäuber: „Das Gehirn versucht dann zu kompensieren.“ Es aktiviert sich selbst, das Ohrgeräusch kann dadurch chronisch werden.
Vielen bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Tinnitus zu leben. Besonders hilfreich dafür ist die kognitive Verhaltenstherapie. Wer ständig auf das Pfeifen hört, kann lernen, sich auf andere Geräusche zu konzentrieren. Wenn die Therapie sehr gut laufe, komme sie einer Heilung gleich, sagt Delb. „Den Betroffenen wird im günstigsten Fall das Ohrgeräusch egal.“
Wissenschaftler der Universität Linköping in Schweden übertrugen diesen Therapieansatz auf das Internet und entwickelten ein Online-Training und testeten dies gemeinsam mit Forschern aus Mainz. Die Studienteilnehmer besuchten entweder eine Gruppentherapie oder absolvierten ein zehnwöchiges Online-Training, bei dem sie Texte im Internet herunterluden und Übungsblätter durcharbeiteten. Am Ende jeder Trainingswoche konnten sie sich mit ihrem Therapeuten per E-Mail austauschen.
Die Teilnehmer lernten Entspannungstechniken und wie sie ihre Aufmerksamkeit vom Tinnitus weglenken können. Das Online-Training hatte genauso gute Effekte wie die Gruppentherapie. Beide Ansätze konnten die Belastung deutlich senken. Den Teilnehmern fiel es anschließend leichter, den Tinnitus zu akzeptieren. Er beherrschte nicht mehr ihr Leben.
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