Verschmähte Delikatessen - Innereien sind etwas für Kenner
Berlin (dpa/tmn) - Vielen Menschen sind sie ein Graus. Doch Spitzenköche lieben Innereien. Mit ihrem feinen Geschmack und ihrer zarten Konsistenz können sie ein Gaumenschmaus sein. Trotzdem geraten viele klassische Innereienrezepte mehr und mehr in Vergessenheit.
Leber geht ja noch. Wenn aber Hirn, Lunge, Milz oder Herz auf dem Speiseplan stehen, ist die Skepsis häufig groß. Traditionelle Gerichte wie Saure Nierchen oder Kutteln sind für viele Bundesbürger heute höchstens noch eine Kindheitserinnerung. Aus der Küche Frankreichs, Italiens und Spaniens sind Innereien nicht wegzudenken, und auch in der Spitzengastronomie haben sie ihren Platz. Sternekoch Stefan Hartmann serviert in seinem Restaurant in Berlin-Kreuzberg täglich Innereien. Besonders schätzt er Kalbsbries. Die in der Brust sitzende Thymusdrüse des Kalbs kombiniert er gern mit anderen Innereien - etwa zu einem Zwischengang wie Bries und Kutteln vom Kalb mit Kräutersaitlingen und Schluppen.
Auch Susanne Rick bestätigt, dass Innereien in der gehobenen Gastronomie geschätzt werden. Sie ist Herausgeberin eines Innereien-Kochbuches mit Rezepten von 20 Spitzenköchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Köche hätten sie mit Rezepten überschüttet, erzählt sie. Harald Wohlfahrt aus Baiersbronn etwa oder Otto Koch aus München verrieten ihr raffinierte Rezepte wie Leber, Niere, Bries und Zunge vom Milchlamm auf Kartoffel-Bärlauchstampf oder Kalbskutteln in Weißwein-Kümmel-Sauce.
Nach Ansicht von Rick sind Innereien wieder angesagt, „seit es gute Möglichkeiten gibt, Fleisch von bester Qualität von einem Lieferanten um die Ecke zu bekommen“. Wenn die Tiere artgerecht gehalten würden, könne man auch „das ganze Tier verspeisen“. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit befürwortet auch Brigitta Poppe von der Ernährungsberatung Rheinland-Pfalz den Genuss von Innereien. Wer diese esse, trete der Lebensmittelverschwendung entgegen und versorge seinen Körper außerdem mit wichtigen Nährstoffen wie Eisen, Folsäure und Vitamin A.
Trotzdem empfiehlt die Expertin, Innereien nicht mehr als ein- bis zweimal im Monat zu essen. Die Organe könnten mit Schadstoffen wie Kadmium und Quecksilber belastet sein. Vor allem bei Leber und Niere sei Zurückhaltung angesagt: Sie sind Filterorgane des Körpers, in denen sich häufig Schadstoffe ansammeln. Dabei ist auch zu beachten, dass viele Innereien in Wurst verarbeitet werden. Wer also viel Leberwurst isst, muss das mitberechnen.
Innereien sind leicht verderblich. Sie sollten möglichst am selben Tag gekauft und gegessen werden. Ihre Frische ist an einer glänzenden Oberfläche zu erkennen. Sind sie nicht mehr frisch, wirken sie stumpf und riechen unangenehm. Frische und Qualität ist auch für Hartmann gerade bei Innereien von entscheidender Bedeutung. Er setzt auf Produkte von kleinen Züchtern aus der Umgebung. Schlechte Ware erkenne man sofort am Geschmack und an der Konsistenz, erklärt der Sternekoch. Reizvoll ist für ihn auch die handwerkliche Seite. „Um Innereien zu kochen, muss man sich auskennen, das muss man lernen, das kann nicht jeder.“
Für Anfänger der Innereien-Küche empfiehlt sich deshalb der Einstieg mit Leber. Es genügt, sie kurz von beiden Seiten anzubraten oder zu grillen. Wichtig ist, dass Leber erst nach dem Braten gesalzen werden darf, sonst wird sie trocken und hart.
Etwas aufwendiger ist die Zubereitung von Nieren. Für vier Personen empfiehlt der österreichische Haubenkoch Toni Mörwald in Ricks Sammelband, eine Kalbsniere vom Fett zu befreien, auf der Unterseite aufzuschneiden und die Hauptader zu entfernen. Dann wird die Niere über Nacht ins Milchbad eingelegt, bevor sie mit gehackten Wacholderbeeren, Senf und Thymian massiert, angebraten und im Backofen fertig gegart werden kann.
Literatur:
Susanne Rick (Hrsg.): Herzstücke von Meisterköchen - Das neue Standardwerk der Innereien. Edition Styria. 192 Seiten, 29,99 Euro, ISBN-13: 978-3-99011-060-7