Vorsorge: Darum geht Mann selten zum Arzt
Das starke Geschlecht meidet die regelmäßige Früherkennung - ganz im Gegensatz zu den Frauen. Für die Abneigung gibt es viele Gründe: So denkt er, dass Krankheit einen Zeichen von Schwäche ist.
<strong>Düsseldorf. Männer sind die "großen Sorgenkinder" der gesundheitlichen Vorsorge - zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) am Donnerstag in Düsseldorf vorstellte. Zwar achtet mehr als jeder zweite Mann auf Gesundheit und Ernährung und geht zum Arzt, wenn er krank ist. Nur etwa jeder fünfte nutzt aber regelmäßig die kostenlosen Angebote zur Früherkennung beispielsweise von Herzkreislauf-Erkrankungen; bei der Krebsvorsorge ist es etwa jeder vierte - obwohl die Angebote der großen Mehrzahl der Männer bekannt sind. Zum Vergleich: Jede zweite Frau geht regelmäßig zum ärztlichen Check-up, zwei von drei nehmen die jährliche Krebsvorsorge wahr. "Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht, außen hart und innen ganz weich." HerbertGrönemeyer in seinem Lied "Männer" Neben der mangelnden Vorsorge zählen Experten auch riskante Verhaltensweisen wie einen hohen Alkoholgenuss, eine hohe Leistungs- und Erfolgsorientierung sowie Extremsport zu den männerspezifischen Gesundheitsrisiken. Viele Männer verneinten zudem Schwächen und negierten Krankheitsanzeichen. "Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht", zitierte der Internist Frank-Chris Schoebel aus Herbert Grönemeyers Lied "Männer". Nach Ansicht des Mediziners haben Frauen ein höheres Gesundheitsbewusstsein und viel früher regelmäßige Kontakte zu Ärzten - insbesondere zu ihren Gynäkologen. Sie sind es auch in der Regel, die ihre Partner zu einer gesünderen Lebensweise drängen. Männliche Erwerbstätige sind den Angaben zufolge zwar weniger und kürzer krank geschrieben als ihre weiblichen Kollegen. Sie leben aber riskanter und sterben in Nordrhein-Westfalen im Schnitt fünf Jahre früher. Unter den 45- bis 49-Jährigen war 2006 der Herzinfarkt die häufigste Todesursache. Bei den Männern ab 50 ist es der Lungenkrebs. Männer wurden im vergangenen Jahr deutlich länger wegen Alkoholproblemen im Krankenhaus behandelt als Frauen. Depressionen sind auf den ersten Blick eher ein weibliches Problem: In Nordrhein-Westfalen sind fast doppelt so viele Frauen erkrankt als Männer. Allerdings gehen Mediziner von einer hohen Dunkelziffer bei Männern aus. Gründe: Sie zeigen andere Symptome, die oftmals nicht richtig gedeutet werden, neigen dazu, Anzeichen zu bagatellisieren oder mit Alkohol und Arbeit zu kompensieren.Frauen seien in der Lage, Probleme aktiv anzugehen, Männer verdrängten sie oft, so Schoebel. Die DAK appellierte an die Haus- und Betriebsärzte, sich stärker mit dem Phänomen Männerdepression zu befassen. Warum Männer selten zum Artzt gehen Spötter behaupten, Männern stehe das Auto näher als die Gesundheit. Und ein Blick in die Statistik zeigt: Die Spötter haben recht. Während die monatliche Fahrt in die Waschanlage und die jährliche Inspektion für viele selbstverständlich sind, entpuppt sich das männliche Geschlecht als Vorsorgemuffel, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Nur ein Viertel aller Männer nimmt die von den gesetzlichen Krankenkassen angebotene Gesundheitsuntersuchung und die Krebsvorsorge in Anspruch wie aus dem DAK-Gesundheitsreport 2008 hervorgeht. Und das obwohl der früh erkannte Krebs der weitaus heilbarere ist. Das gilt sowohl für den Prostatakrebs, die bei Männern mit am häufigsten auftretende Krebserkrankung, sowie für den äußerst gefährlichen Darmkrebs. Frauen nehmen das Vorsorge-Angebot hingegen mehr als doppelt so oft wahr wie die Männer.
Hormone sorgen für eine höhere Risikobereitschaft
Für Martin Westenfelder, Chefarzt der Urologie im Krankenhaus Maria Hilf in Krefeld, gibt es für die Zurückhaltung der Männer mehrere Gründe. Zunächst einmal versuchten viele Männer einem traditionellen Rollenverständnis gerecht zu werden, erläutert der Professor. "Männer werden zur Gesundheit erzogen." Eine Krankheit kommt demnach einer persönlichen Beleidigung gleich. Zudem sorge der Hormonhaushalt der Männer dafür, dass sie grundsätzlich bereit seien, größere Risiken als Frauen einzugehen.Es gäbe jedoch auch ganz praktische Gründe. Durch den frühen Kontakt mit dem Gynäkologen oder sogar durch eine Schwangerschaft seien Frauen an Vorsorgeuntersuchungen gewöhnt.
Aber Westenfelder stellt ein Umdenken bei den Männern fest: "Vor 20 Jahren kamen nur fünf Prozent der Männer zur Vorsorge."
Ab 35 Jahre Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse können ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre kostenlos die sogenannte Gesundheitsuntersuchung in Anspruch nehmen. Ziel ist es, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenleiden, Stoffwechselstörungen und Zuckerkrankheit (Diabetes) früh zu erkennen.
Ab 45 Jahre Zur Standardleistung einer gesetzlichen Krankenkasse zählt zudem eine jährliche Krebsvorsorge ab dem 45. Lebensjahr: Die Prostata wird abgetastet, das äußere Genital sowie Haut und Urin untersucht.
Klaus Fischer (53), Gebäudemanager: "Seit ich 40 Jahre alt bin, gehe ich einmal im Jahr zur Krebs-Vorsorge. Ich hänge eben an meinem Leben. Und wenn eine Krebserkrankung früh erkannt wird, sind die Heilungschancen ungleich höher. Ich glaube, dass sich viele Männer drücken, weil sie Angst vor den Untersuchungen haben, dabei sind sie wirklich harmlos - auch das Abtasten der Prostata."
Wolfgang Harste (59), Marktverkäufer: "Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal beim Arzt war. Zu einer Vorsorge-Untersuchung bin ich noch nie gegangen, obwohl ich weiß, dass die Früherkennung im Fall der Fälle viel Wert sein kann. Aber ich müsste zuerst einmal einen guten Arzt finden, dann dauert es, einen Termin zu bekommen und schließlich wartet man stundenlang im Wartezimmer. Dafür habe ich keine Zeit.
Hartem Stein (53), Bankangestellter: "Ich glaube, viele Frauen gehen öfter zur Vorsorge, weil sie das schon während der Schwangerschaft geübt haben. Viele Männer versuchen zudem, das traditionelle Rollenbild zu erfüllen, dazu zählt Stärke und Gesundheit. Ich selbst mache seit Jahren jedes Jahr einen Check-Up. Allerdings auch nur durch die Initiative meiner Frau. Sie hat geschickt an meine Verantwortung gegenüber der Familie appelliert.