Auf der Jagd nach Meereswirbeln: Forschungszeppelin gestartet
Berlin (dpa) - Er brummt wie ein Linienbus in der Luft: Zum ersten Mal wird ein Forschungszeppelin kleine Meereswirbel in der Ostsee aufspüren und vermessen. Das 75 Meter lange Luftschiff im Dienst der Helmholtz-Gemeinschaft startete seine Expedition „Uhrwerk Ozean“ in Berlin.
In den kommenden zwei Wochen soll der Zeppelin die Wirbel zwischen Usedom und Bornholm mit Spezialkameras ins Visier nehmen, teilten die Wissenschaftler mit. Anders als bisher eingesetzte Flugzeuge kann das Luftschiff dafür direkt über den Meereswirbeln „parken“ und ihre Bewegungen analysieren.
Für Expeditionsleiter Burkard Baschek vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht (Schleswig-Holstein) ist die neue Forschung mit dem Zeppelin auch ein Nervenkitzel. Denn die Wissenschaftler müssen die kreisrunden Strömungen vom Luftschiff aus erst einmal orten.
Dabei helfen zwei große Spezialkameras an Bord, die Temperaturen und Farbe des Wassers analysieren können. Von oben werden dann auch die Forschungsschiffe koordiniert. Allein vom Boot aus lassen sich die Unterwasser-Strömungen kaum erkennen.
Das Aufspüren der Wasserwirbel per Zeppelin war Bascheks Idee. Im Unterschied zu den großen Meeresströmen wie zum Beispiel dem Golfstrom sind Meereswirbel nahezu unerforscht. Bisher nehmen Forscher lediglich an, dass sie im großen Uhrwerk des Ozeans eine immense Rolle spielen - sei es für Algen als Grundlage der Nahrungskette im Meer oder mit Blick auf das Klima.
„Auch im Meer gibt es Hoch- und Tiefdruckgebiete mit Temperaturunterschieden“, erläutert Baschek. Strömungen glichen Druckunterschiede im Wasser aus. Für ihn sind die Wirbel ein fehlender Baustein für das Verständnis der gesamten Energiekaskade im Ozean - dem Zusammenspiel von Sonne, Wind und Wasser.
Bisher haben Forscher versucht, dem Geheimnis der kleinen Wirbel mit Satelliten oder Flugzeugen auf die Spur zu kommen - ohne großen Erfolg. Denn die kreisförmigen Unterwasser-Strömungen haben lediglich einen Durchmesser von 100 Metern bis zu zehn Kilometern und bestehen oft nur wenige Stunden lang.
In ihrem Inneren oder vom Rand aus drücken sie vermutlich kaltes, nährstoffreiches Wasser an die Oberfläche. Das fördert vermutlich das Wachstum von Mikroalgen. Aber wie genau das passiert, ist eines der faszinierenden Rätsel, die Baschek lösen will.
„Die Expedition wird unser Verständnis von klimatischen und ozeanographischen Zusammenhängen grundlegend verändern“, sagt Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Auf die Ergebnisse sind Wissenschaftler auf der ganzen Welt gespannt. Meere bedecken 70 Prozent der Erdoberfläche.
Vom Zeppelin aus wollen die Forscher die Ostsee aus rund 1000 Metern Höhe beobachten. Zehn Stunden lang kann das Luftschiff mit Heliumhülle und Passagierkabine über dem Wasser bleiben. Zum Einstand kreiste das Luftschiff im Dienst der Wissenschaft zweimal über das Berliner Regierungsviertel.
Vier Jahre hat es gedauert, die Expedition vorzubereiten. Finanziert wird sie aus dem Haushalt des Helmholtz-Zentrums Geesthacht, das ein Jahresbudget von rund 100 Millionen Euro hat. Weltweit werde erstmals ein Luftschiff für die Küsten- und Meeresforschung eingesetzt, sagt Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Der Zeppelin ist auch Teil des Wissenschaftsjahres 2016/2017, das unter dem Motto „Meere und Ozeane“ steht.