Aufatmen in Peking: „Genosse Nordwestwind kommt zur Hilfe“
Peking (dpa) - Tagelang raubte der Smog den Pekingern den Atem. Der Dreck verdunkelte den Himmel und ließ Experten von einem „nuklearen Winter“ sprechen. Jetzt waschen Wind und Regen die Luft wieder sauber.
Eine Kaltfront brachte im Norden und Osten Chinas erstmals wieder Wind und leichten Regen, so dass die hohen Schadstoffkonzentrationen in der Luft zurückgingen. „Genosse Nordwestwind kommt uns im Kampf gegen den Smog zur Hilfe“, schrieben Blogger. Der Index fiel von „gefährlichen“ 400 bis 500 auf nur noch „ungesunde“ 160 - das entspricht dem Sechsfachen des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Grenzwerts.
Der Smogalarm der zweithöchsten Stufe „Orange“, der erstmals in der Hauptstadt gegolten hatte, wurde wieder aufgehoben. Allerdings wurden an einigen anderen Orten des Landes weiter eine hohe Luftverschmutzung gemessen. Die Auswirkungen des anhaltenden Smogs, der die Sonne nicht durchkommen ließ, verglichen chinesische Wissenschaftler mit einem „nuklearen Winter“. Sie warnten eindringlich vor Ernteausfällen.
In Peking waren die Schadstoffwerte am Mittwoch sogar über die kritische Marke von 500 gestiegen, wo der Index normalerweise aufhört. In der Nacht wurde in der Hauptstadt für den besonders gefährlichen Feinstaub der Spitzenwert von 577 gemessen. Das entspricht dem 23-fachen des WHO-Grenzwertes. In einem Gebiet mit rund 400 Millionen Menschen galt seit Montag die Alarmstufe „Orange“.
Die Schadstoffe wurden von China sogar bis in die südkoreanische Hauptstadt herübergeweht. In Seoul wurden am Mittwoch den sechsten Tag nacheinander bedenkliche Feinstaubwerte gemessen, die vier- bis fünfmal über den normalen Werten lagen, wie der Rundfunksender KBS berichtete. In Seoul und der umliegenden Provinz Kyonggi wurde seit Montag offiziell vor Ultrafeinstaub gewarnt. Körperlich Schwachen und Kindern wurde von Aktivitäten im Freien abgeraten.
Viele Chinesen schützten sich mit Atemschutzmasken. „Wir waren gestern ausverkauft“, sagte die Verkäuferin in einer Apotheke in Peking. „Heute früh kam Nachschub.“ In vielen Krankenhäusern der Hauptstadt drängten sich die Patienten. Vor allem Ältere, kleine Kinder oder Menschen mit Asthma oder Herz- und Kreislaufproblemen litten unter den Schadstoffkonzentrationen.
„Wir haben viele Kinder mit Atemwegsleiden“, sagte die Ärztin einer internationalen Klinik der Nachrichtenagentur dpa. „Aber wenn der Smog so lange anhält, fühlt jeder die Auswirkungen - sei es durch Kratzen im Hals, Husten oder andere gesundheitliche Probleme.“
Der Vergleich mit dem „nuklearen Winter“ erregte in China viel Aufsehen. Wie bei der Verdunklung und Abkühlung der Erdatmosphäre wegen Staub und Rauch nach einem Atomschlag bekämen Pflanzen auch bei Smog weniger Sonnenlicht, wodurch die Ernte „auf jeden Fall“ beeinträchtigt werde, sagte He Dongxian, Dozentin von Chinas Landwirtschaftsuniversität, der Nachrichtenagentur dpa in Peking.
„Bei einem Smogtag wird die Sichtweite reduziert - das heißt, die Lichtstärke für Pflanzen wird verringert“, schilderte die Forscherin. „Die Photosynthese wird geschwächt, was großen Einfluss auf das Wachstum nicht nur der Blätter, sondern auch der Samen und der Früchte hat.“ Dadurch verschlechtere sich nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Ernte.
„Besonders im Winter und Anfang des Frühjahrs nimmt der Smog zu, was vor allem die landwirtschaftliche Produktion in Glashäusern stark beeinträchtigt.“ Mit anderen Wissenschaftlern unternimmt He Dongxian entsprechende Experimente mit Saatgut: „Da wir so viele Smogtage hatten, hat die Saat, die wir im Januar gepflanzt haben, noch nicht gekeimt, obwohl sie normalerweise schon sprießen müsste.“