Mehr als Kraut und Rüben Bauerngärten bedienen die neue Landlust
Bonn (dpa/tmn) - Wenn an Sommertagen die Amsel im Apfelbaum tiriliert, Hummeln wie trunken zwischen den schweren Blüten brummeln und man Salat frisch für das Abendessen pflückt, ist für viele das Idyll auf der eigenen Scholle perfekt.
Mit seiner Mischung aus Kräutern, Gemüse, Blumen und Obst gilt der Bauerngarten als idealer Mix aus Nutz- und Ziergarten. „Ein Bauerngarten soll Nützliches und Schönes verbinden und ländliches Gartenglück verkörpern - ein Gegensatz zum Stress der heutigen Zeit“, sagt Peter Behrens vom Bund deutscher Staudengärtner.
Tatsächlich hat diese Vorstellung aber nur wenig mit dem Landleben der vergangenen Jahrhunderte zu tun. „Was wir heute unter einem Bauerngarten verstehen, ist ein Klischee“, sagt Matthias Schuh, Gärtner im Freilichtmuseum am Kiekeberg bei Hamburg. „Noch bis Mitte, Ende des 19. Jahrhunderts ließen Bauern ihre Schweine und Ziegen direkt am Haus laufen, für einen Garten war dort kein Platz.“
Erst die Industrialisierung der Landwirtschaft hat dafür gesorgt, dass Bauern das Stück Land um ihr Haus als Garten anlegten - sofern sie es sich leisten konnten. „Der Bauerngarten war ein Statussymbol und diente vor allem repräsentativen Zwecken“, erklärt Schuh.
Heute steht im Bauerngarten nicht der Prunk im Mittelpunkt - im Gegenteil. Er ist für ein wild-romantisches, aber geordnetes Durcheinander, das keinen formalen Regeln folgen muss. „Erlaubt ist, was gefällt“, nennt Staudengärtner Behrens die einfache Regel.
Damit es in einem Bauerngarten dennoch nicht aussieht wie Kraut und Rüben, geben in der Regel streng geometrisch angelegte Wege im vermeintlichen Durcheinander Halt. „Nach dem Vorbild der Klöster wurde das Wegekreuz eingeführt, vielfach mit einem Mittelrondell“, erklärt der Diplom-Agraringenieur und Buchautor Robert Sulzberger.
Die Fläche in vier Teile aufzuteilen, hat durchaus einen praktischen Hintergrund: Sie erleichtert die Einhaltung der Fruchtfolge. „Starkzehrer, Mittelzehrer, Schwachzehrer und standorttreue Kulturen lassen sich auf diese Weise übersichtlich auseinander halten.“
Die Beete sind üppig gefüllt. „Im Idealfall ist ein Bauerngarten so angelegt, dass mit relativ geringem Arbeitsaufwand auf begrenzter, kleiner Fläche ein Optimum an Erntegut und Blütenpracht herausgeholt wird“, erklärt Sulzberger. Eine Mischkultur hat dabei nicht nur ihren optischen Reiz. Auch die Pflanzen profitieren davon. „Manche Kräuter ergänzen sich in Wuchsform und Wurzelwachstum gut mit Gemüsearten“, erläutert Sulzberger. „Blumen sorgen zwischen den Nahrungspflanzen für eine vorteilhafte Durchwurzelung des Bodens, schützen ihn vor Austrocknung und locken mit ihren Blüten nützliche Insekten an.“
Für die Bepflanzung gibt es keine festen Vorgaben. Behrens rät zu einer Mischung aus einjährigen und mehrjährigen Pflanzen. So bleibt der Pflegeaufwand überschaubar. Für viele gehören Pfingst- und Stockrosen sowie klassische Rosen in den Bauerngarten, aber auch Hortensien, Lavendel, Wicken, Rittersporn, Phlox, Ringelblume, Dahlien oder Schafgarbe. Für den Nutzgarten empfiehlt Behrens Salat, Radieschen, Gurken, Bohnen und Kohlrabi sowie Rhabarber, Beerensträucher und Obst-Hochstämme. Küchenkräuter wie Petersilie, Schnittlauch und Liebstöckel sowie Heilkräuter wie Minze oder Salbei wachsen in Töpfen oder einer Kräuterspirale.
Welche Pflanzen letztlich im Bauerngarten gedeihen, hängt aber auch von Bodenbeschaffenheit und Lage ab. „Ein Bauerngarten ist ein Sonnengarten, der viel Licht benötigt“, sagt Behrens. Aber es gibt auch Lösungen für Schattenplätze: Bärlauch, Heidelbeeren, Frauenmantel und Farne fühlen sich an solchen Stellen wohl.
Service:
Robert Sulzberger: Bauerngärten. Anlegen und pflegen. BLV Buchverlag, 2013, 128 Seiten, 9,99 Euro, ISBN-13: 978-3835411548
Die Sonderausstellung „Aufgeblüht! Norddeutsche Gartenkultur“ zur Kulturgeschichte des Gartens vom klassischen Bauerngarten bis zu heutigen Erscheinungsformen und Tendenzen ist bis 15. Oktober im Freilichtmuseum am Kiekeberg nahe Hamburg zu sehen.