Fairer Kaffee für alle - Boom deutscher Fairtrade-Städte
Stuttgart (dpa) - Egal ob Kaffee, Schokolade oder Reis: Nicht nur Supermärkte haben mittlerweile fair gehandelte Produkte im Regal - auch deutsche Städte schmücken sich mit dem Beinamen Fairtrade. Dazu verhelfen ihnen nicht selten auch große Discounter.
Der „Schaller-Markt“ hat jetzt auch fair gehandelten Tee im Angebot. Kaffee und Schokolade aus fairem Handel bietet der kleine Supermarkt in Stuttgart schon an. Jetzt will er nachlegen und vielleicht auch noch Bananen mit dem Siegel ins Sortiment nehmen. „Es wird gekauft. Vor allem der Kaffee“, sagt Inhaberin Kerstin Friedrich. „Wir müssen jede Woche nachbestellen.“
Ganz von allein ist sie allerdings nicht auf die Idee gekommen: Ihr Laden ist einer von vielen, der Stuttgart den Beinamen Fairtrade-Stadt eingebracht hat - ein Titel, den sich inzwischen immer mehr deutsche Städte ans Revers heften. Die Stadt hatte bei Friedrich angefragt, ob sie dazu entsprechende Produkte ins Sortiment nehmen wolle.
Denn um sich mit dem Titel schmücken zu dürfen, müssen Städte einige Kriterien erfüllen - auf 100 000 Einwohner müssen zum Beispiel 20 teilnehmende Geschäfte und zehn Gastro-Betriebe kommen. Nach Angaben des gemeinnützigen Vereins Transfair, der das Siegel vergibt, gibt es bundesweit inzwischen mehr als 220 Fairtrade-Städte - von Lüneburg im Norden bis Freiburg im Süden.
Vorreiter der Kampagne ist Großbritannien. Deutsche Städte und Kommunen dürfen sich seit 2009 um den Titel bewerben. „Das stärkt unser Image“, erklärt Stuttgarts Stadtsprecher Sven Matis. Die Schwabenmetropole ist seit dem vergangenen Herbst Fairtrade-Stadt.
Das bedeutet auch, dass bei Sitzungen im Rathaus fair gehandelter Kaffee, Tee und Zucker angeboten werden. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um Produkte und Lebensmittel, die nach bestimmten sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Standards hergestellt werden.
Neben dem Image der Stadt profitieren vor allem die Einzelhändler: „Man sieht, dass das eine Wachstumsbranche ist“, sagt Stefan Hertel, Sprecher vom Handelsverband Deutschland (HDE). „Das ist für viele Einzelhändler sehr spannend.“ Da viele ohnehin schon fair gehandelte Produkte im Regal hätten, sei es fast schon ein Wettbewerbsnachteil, nicht mitzuziehen. Dadurch, dass die beteiligten Läden in einem Einkaufsführer der Stadt gelistet werden, ist das für sie Transfair zufolge auch eine „kostenlose Werbung“.
Bundesweit gibt es nach Angaben des Vereins inzwischen 30 000 Geschäfte mit Fairtrade-Produkten. Hinzu kommen rund 900 Weltläden und 15 000 Gastro-Betriebe. „Es liegt daran, dass die Kunden das nachfragen“, sagt Hertel. 2012 lag der Umsatz mit fair gehandelten Produkten bei 533 Millionen Euro - 2013 waren es allein im ersten Halbjahr schon 300 Millionen Euro. „Das ist ein gewaltiger Anstieg“, betont Hertel. Auch wenn Fairtrade-Produkte noch eine Nische seien.
Eine Nische, die auch Discounter wie Lidl und Penny für sich entdecken. Da auch sie Produkte aus fairem Handel anbieten, dürfen Städte jede einzelne Filiale zur Erfüllung ihrer Fairtrade-Quote mitzählen. Nicht jeder Einzelhändler findet das gut: „Die Discounter wollen sich damit doch vor allem mehr Umsatz verschaffen“, meint Friedrich vom „Schaller-Markt“. „Sie bieten es nicht an, weil sie hinter den Produkten stehen.“
Auch die Stadt Stuttgart listete nach eigenen Angaben Discounter als Fairtrade-Läden auf - allerdings nicht alle. „Wir haben nicht jeden einzelnen mitgezählt“, betont Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle. „Das würde die Zahlen verfälschen.“
Erschummeln kann sich eine Stadt den Titel ohnehin nicht: Alle zwei Jahre werde neu geprüft, ob sie ihn auch weiterhin verdiene, betont Lisa Herrmann, die für die Kampagne der Fairtrade-Städte zuständig ist. Bisher sei der Anteil von Fairtrade-Läden währenddessen eher gestiegen als gesunken. „Dass wir das Siegel nicht wieder vergeben konnten, hatten wir noch nie.“