Kleine süße Blüten in Felsspalten: Der Steinbrech im Garten
Lindau (dpa/tmn) - Erst so langsam entwickelt sich nun im Frühling der Garten zu seiner vollen Pracht. Wem das nicht schnell genug geht und wer schon in den ersten Wochen der neuen Saison satte Blütenfarben im Garten haben möchte, sollte einen Blick auf Pflanzen werfen, die im Gebirge vorkommen.
Denn alpine Gewächse entfalten rasch nach der Schneeschmelze ihre Blüten. Sie müssen die in ihrer natürlichen Umgebung verhältnismäßig kurze Saison nutzen, um sich zu vermehren. Zu diesen Pflanzen zählen zahlreiche Arten aus der Gruppe der Steinbreche, botanisch Saxifraga genannt.
Wenn man von dem Steinbrech spricht, darf man den Namen tatsächlich bildlich verstehen: „In der Natur wachsen diese Pflanzen in ganz engen Felsspalten“, erläutert der Gärtnermeister Ferdinand Sündermann aus Lindau. Das erweckt den Eindruck, die kleinen Pflanzen sprengen den Stein. Es ist aber eher so, dass die Pflanzen selbst engste Spalten nutzen und ihre oberirdischen, kompakten Polster flach über dem Gestein entfalten.
„Die Gattung Steinbrech ist sehr vielseitig“, sagt Sündermann. Es gibt Arten für ganz unterschiedliche Standorte - von sonnig über halbschattig bis schattig. Und: „Manche Steinbreche sind sehr schwachwüchsig und kleinbleibend, andere dagegen kann man durchaus als wuchsstark bezeichnen.“ Um einen Überblick zu behalten, hat man die Arten daher in Sektionen und Serien eingeteilt. Wenn man von den Vorfrühling-Steinbrechen spricht, so handelt es sich vor allem um die Serien 'Kabschia', 'Engleria' und 'Tetrameridium'.
Typisch für den Wuchs der Kabschia-Saxifraga sind die flachen Polster oder Matten. Sie bestehen aus kleinen, dicht nebeneinander stehenden Rosetten, in denen wiederum stiellose Blüten dicht an dicht sitzen. Anders ist dies bei der Blüte der Engleria-Steinbreche: „Wie kleine Raketen kommen die Blütenstiele mit mehreren Blüten pro Stängel aus den Rosetten“, beschreibt Sündermann. Das Farbspektrum der Steinbrech-Blüte reicht von Weiß über Gelb bis hin zu Rosa und Rot. „Nur Blau kommt bei Steinbrech als Farbe nicht vor.“
Wenn die Blüten verwelken, stirbt auch die Rosette, aus der sie entstanden ist. Zugleich bilden sich aber neue Tochterrosetten, so dass sich die Lücke direkt schließt. Die welken Blätter werden verdeckt und verrotten nach und nach zu einer Humusschicht, die den Wurzeln Halt und der Pflanze Nahrung bietet.
Typisch ist für die Vorfrühling-Steinbreche ein gräulicher Kalkschleier und eine Reihe von Kalkdrüsen an den Rändern der Blätter. Das dient den Pflanzen als Schutz vor der UV-Strahlung und starker Erhitzung im Hochgebirge. Außerdem heben sie sich nicht auffällig vom Stein ab, was sie vor Fressfeinden schützt.
Die Pflanzenfamilie Saxifraga gedeiht auch auf einem ganz normalen Gartenboden. „Ist das Gefüge des Bodens sehr fest, kann man groben Quarzsand untermischen“, erklärt Sündermann. Von Torf rät der Staudengärtner aber ab. Ganz schlechter Boden werde stattdessen besser mit der Erde eines Maulwurfshügels aufgebessert.
Der Gärtnermeister empfiehlt, auch im Garten die kalkliebenden Vorfrühling-Steinbreche immer mit Steinen zu kombinieren. Trockenmauern und enge Kalkgesteinspalten sind für die relativ anspruchslosen Schönheiten ideal. „Hübsch sieht es aus, wenn man die kleinen Polster in die Löcher eines Tuffsteins setzt“, sagt Sündermann. Aber man kann sie auch in Betontrögen anpflanzen.
Als Partner empfiehlt der Experte Pflanzen aus dem Hochgebirge, etwa Sandkraut (Arenaria), Hungerblümchen (Draba), Zwergnelken (Dianthus) und Katzenpfötchen (Globularia) sowie Zwergprimeln (Primula). „Gut passen auch die Rosetten von Hauswurz (Sempervivum) zu den Vorfrühling-Steinbrechen.“ All diese Pflanzen sind ebenso anspruchslos und pflegeleicht, wenn sie am Standort erst einmal angewachsen sind. Wichtig ist allerdings, dass der Hobbygärtner keine stickstoffreichen Düngerpräparate verwendet. Besser ist ein schwachdosierter Blütendünger zu Beginn der Saison.
Auf die zarten Schönheiten des Frühlings folgt die Blüte der sogenannten Moos-Steinbreche, Züchtungen vom Beginn des 20. Jahrhunderts. „Ziele der damaligen Züchtungsarbeit von Georg Arends war eine stabile Blütenfarbe, großblumige Sorten und kräftige Blütenfarben“, erläutert Anja Maubach, Staudengärtnerin und Gartenarchitektin aus Wuppertal. Beispiele sind die karminrote Sorte 'Triumph', 'Schneeteppich' mit weißen Blüten und 'Schwefelblüte' in zartem Gelb.
Die Moos-Steinbreche bilden immergrüne, üppige Polster. „Besonders faszinierend ist das knackige Grün der Matten“, findet Maubach. Die Blüten stehen auf kurzen, kräftigen Stängeln. „Diese Sorten lieben eine etwas feuchte Lage“, erklärt Sündermann. Er empfiehlt auch einen Standort im Halbschatten. Maubach setzt die Moos-Steinbreche in eine leicht saure Erde, etwa als Einfassung von Schattenbeeten. Wichtigste Pflegemaßnahme: die Polster alle paar Jahre, wenn man das Gefühl hat, dass sie zu groß geworden sind, teilen und neu pflanzen. Das fördert einen kompakten und gleichmäßigen Wuchs.