Kunst des Kompensierens: Fliegen in Zeiten des Klimawandels

Berlin (dpa/tmn) - Jedes Flugzeug am Himmel stößt Kohlendioxid aus. Das verstärkt den Treibhauseffekt und trägt so zur Erwärmung der Atmosphäre bei. Viele Umweltschützer fordern, den CO2-Ausstoß für Flüge auszugleichen.

Aber nur wenige Reisende machen das auch.

Flugzeuge stoßen beim Verbrennen des Treibstoffs CO2 aus. Das verstärkt den Treibhauseffekt. Deshalb gibt es seit langem die Forderung, die schädlichen Folgen des Fliegens auszugleichen - CO2-Kompensation ist der Fachbegriff dafür. Die Details sind allerdings umstritten.

Der Flugverkehr trage bereits heute zu zehn Prozent zum Klimawandel bei, werde sich bis 2050 aber noch verdreifachen, sagt Dietrich Brockhagen von der gemeinnützigen Klimaschutzorganisation Atmosfair. „Selbst Fernreisen sind heute für fast jeden erschwinglich“, ergänzt Karsten Smid, Klimaexperte bei Greenpeace in Hamburg. „Und man kann mit einem einzigen Flug seine persönliche CO2-Jahresbilanz verhageln.“ Selbst wer ein ganzes Jahr aufs Autofahren verzichtet, dann aber einmal auf die Malediven fliegt und damit einen Ausstoß von zwei Tonnen CO2 verursacht, macht die Einsparung wieder zunichte.

Seit 2005 gibt es bei Atmosfair die Möglichkeit, sich auszurechnen, wie viel CO2 bei einem Flug entsteht - und dafür etwas an die Organisation zu spenden. Die investiert das Geld in Projekte, die dazu beitragen, die Entstehung von Kohlendioxid zu verringern - zum Beispiel umweltverträgliche Wasserkraftwerke in Honduras. Im Idealfall wird durch die Investition exakt die Menge CO2 vermieden, die durch den Flug entstanden ist. Nach ähnlichem Muster arbeiten auch andere Organisationen wie Myclimate mit Sitz in Zürich.

Atmosfair hat 2011 auf diese Weise vier Millionen Euro bekommen - Tendenz steigend. Das alles klingt gut, ist aber nur die halbe Wahrheit. Zur ganzen gehört, dass der Anteil der Fluggäste, die die Möglichkeit zur Kompensation nutzt, verschwindend klein ist. Atmosfair errechnet für den Hin- und Rückflug von München nach Mailand etwa 180 Kilogramm CO2 und entsprechend 9 Euro für die Kompensation. Für die Strecke Frankfurt - Bangkok sind es 6500 Kilogramm und 150 Euro - bei Fernreisen kommt also einiges zusammen.

„Die Bereitschaft zum Kompensieren ist gering“, sagt Ute Linsbauer, Sprecherin vom Forum anders reisen, zu dem Veranstalter gehören, denen das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Sie schätzt den Anteil bei Buchungen ihrer Veranstalter auf weniger als zehn Prozent. „CO2-Kompensation ist eine abstrakte Sache. Man spendet Geld, damit etwas eingespart wird, das man gar nicht sieht - und das alles ist weit weg.“

Studiosus hat bei der Vorstellung der neuen Kataloge für 2012 angekündigt, automatisch den CO2-Ausstoß durch Schiff, Bus und Bahn zu kompensieren. Dabei kommen aber vergleichsweise geringe Beträge zusammen: Für eine achttägige Studienreise in die Toskana werden 1,41 Euro pro Person, für eine 23-tägige Reise durch China 5,91 Euro berechnet. Seit Juli 2007 bietet Studiosus an, den CO2-Ausstoß von Flugreisen zu kompensieren. Aber kaum jemand spendet freiwillig. „Es sind weniger als ein Prozent der Kunden“, sagt Studiosus-Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch. „Und das deckt sich mit den Erfahrungen anderer Veranstalter.“

Tui, Marktführer unter den deutschen Veranstaltern, hat seinen Kunden schon 2008 angeboten, 50 Cent draufzulegen, wenn diese mindestens zwei Euro an Myclimate spenden würden. Das hat nicht wirklich funktioniert: „Einige wenige haben kompensiert, die dann oft voll“, sagt Harald Zeiss, Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements der Tui. Tui gibt inzwischen in den Katalogen den CO2-Ausstoß an - und überlässt es dann den Kunden, ob sie Flüge kompensieren oder nicht.

Die Kompensationskosten einfach auf den Reisepreis aufzuschlagen, hält Zeiss aber für unrealistisch. Denn wenn die Konkurrenz nicht kompensiert, ist sie damit automatisch günstiger. Wäre da nicht eine branchenweite Lösung naheliegend? „Eine Verpflichtung auszusprechen, halten wir für schwierig“, sagt Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV). „Das muss der Kunde entscheiden.“ Das sieht Ute Linsbauer vom Forum anders reisen ähnlich: „Es geht ja auch darum, dem Kunden die Verantwortung nicht abzunehmen, sondern ihn dazu zu bringen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Bis das zu sichtbaren Ergebnissen führt, wird es aber wohl noch etwas dauern.