Nachhaltigkeit hält auch in der Modewelt Einzug
Frankfurt/Main (dpa) - In den Kleiderschränken vieler Menschen hängt eine Fülle von Kleidung großer Modeketten. Kritiker bemängeln Masse statt Klasse und die Folgen für Mensch und Umwelt. Einige Modemacher setzen deshalb auf Nachhaltigkeit.
Vom Laufsteg direkt in die Onlineshops und Regale großer Ketten: Die Mode hat einen immer schnelleren Rhythmus bekommen, Kleidung kann fast wie Fast Food konsumiert werden. Dabei gilt offenbar die Devise: Je günstiger, umso schneller greifen die Kunden zu. Doch der Kostendruck bei den Produzenten hat oft verheerende Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, was nicht zuletzt die Diskussion um die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Ländern wie Bangladesch oder Indien gezeigt hat. Einige Designer gehen daher das Thema Nachhaltigkeit an.
Große Modeketten setzten auf Billigpreise, um die Kunden zum Kauf anzuregen, kritisiert der Berliner Designer Michael Michalsky. Eine trügerische Strategie, meint er: „Die Aktionen der großen Flächenhändler, die quasi monatlich neue "Trends" proklamieren, finde ich verantwortungslos und falsch.“ Ein Trend, der nur einen Monat oder ein Quartal dauere, sei keiner. Es sei vielmehr der Versuch mancher Anbieter, immer mehr Produkte in den Markt zu drücken.
Einige Designer wie Michalsky setzen dagegen auf „Slow-Fashion“, die den schnelllebigen Modemarkt entschleunigen soll: Durch bewusste Auswahl der Rohstoffe, nachhaltige Produktion, hochwertige Verarbeitung und kurze Vertriebswege.
In Deutschland setzte die Bekleidungsindustrie nach Branchenschätzungen zuletzt rund zwölf Milliarden Euro um (2012). Welcher Anteil davon auf nachhaltig hergestellte Mode entfällt, ist nicht bekannt.
Ein Beispiel für eine solche Produktionsweise ist aber die Frankfurter Designerin Nina Hollein. Sie kauft die Stoffe in kleinen Webereien in Österreich ein. „Ich weiß bei jedem Produkt, wer bei der Herstellung des Stoffes beteiligt war“, erzählt Hollein. Sie fahre dafür extra zu den Produzenten und bespreche mit ihnen, was sie für die nächste Kollektion benötige.
Viele Stoffe seien eigentlich für Geschirrtücher oder Bettwäsche gedacht. Bei Hollein entstehen daraus Damen- und Kinderkollektionen, die sie im eigenen Laden verkauft. „Bei der Ernährung hat der Trend bewusst einzukaufen schon früher eingesetzt, bei der Mode entwickelt es sich so langsam“, sagt sie.
Die Ratgeberautorin Kirsten Brodde weiß um die oft schlechten Produktionsbedingungen von Textilien. „Für billige Kleidung zahlt immer jemand den Preis - Mensch oder Umwelt“, kritisiert sie. Gutes gebe es nicht umsonst und weniger Gift und mehr Gerechtigkeit nicht zum Nulltarif. Dessen müssten sich auch die Konsumenten auf lange Sicht bewusstwerden. Die Autorin geht sogar noch ein Stück weiter: „Optimistisch betrachtet hat die Discounter-Mode bereits ihren Zenit hinter sich.“ Sie selbst sei von Kopf bis Fuß auf Öko getrimmt und habe dafür auch keinen Kredit aufnehmen müssen.
Qualität statt Quantität - so lautet das Credo von Nina Hollein: „Statt drei Röcke für ein Kind zu kaufen, die schnell kaputtgehen und verschlissen sind, ist es doch besser, in ein gutes Teil zu investieren, das dann auch länger hält.“
Als Kaufhilfe für Verbraucher fordern Michalsky und Brodde eine transparentere Zertifizierung von Textilien. Es gebe weit über 100 Siegel in diesem Bereich, aber nur eine Handvoll seien unabhängig und glaubwürdig, meint Brodde. Würde man diese Flut eindämmen, gebe es auch weniger Verwirrung beim Verbraucher. Sie wünsche sich ein Siegel, das ökologische und soziale Kriterien gleichermaßen umfasse.
Michael Michalsky gibt noch zu bedenken: „Zuallererst sollte definiert werden, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet. Es gibt zum Beispiel sehr gute Produkte aus Asien. Sind die nicht nachhaltig, weil sie weit weg produziert wurden?“