Plastik und Shopping: Blogger wollen mit Verzicht anstecken
Frankfurt/Main (dpa) - Gut aussehen in gebrauchten Klamotten: Das versucht eine Bloggerin, die im Sinne der Nachhaltigkeit ein Jahr lang ohne Shopping auskommen will. Aber können solche Selbstversuche auch eine Gesellschaft verändern?
Frankfurt/Main (dpa) - Gut aussehen in gebrauchten Klamotten: Das versucht eine Bloggerin, die im Sinne der Nachhaltigkeit ein Jahr lang ohne Shopping auskommen will. Aber können solche Selbstversuche auch eine Gesellschaft verändern?
Ein grüner Faltenrock mit schwarzer Spitze und eine dicke blaue Strickjacke - Hindi Kiflai hat nicht lange gebraucht, um ihre neuen Errungenschaften aus dem Angebot des Secondhand-Shops herauszufischen. Sie ist auch in Übung: Seit Jahresbeginn zeigt sich die Frankfurterin nur noch in gebrauchter Kleidung, nagelneue Klamotten sollen für sie bis Ende Dezember tabu sein. Ein Selbstversuch, der möglichst viele andere junge Frauen anstecken soll.
Dabei ist Shoppen ihr Lieblingshobby, sagt die Hörfunkjournalistin. Zeitweise hatte Kiflai mehr als 100 Paar Schuhe daheim. Doch die Unfälle in den Kleiderfabriken Bangladeschs mit zusammen weit mehr als 1000 Toten gaben ihr zu denken. Sie wollte verantwortungsvoller und nachhaltiger handeln. Doch wie? Fairtrade-Mode war Kiflai auf Dauer zu teuer - da entstand die Secondhand-Idee.
„Mein Blog richtet sich an junge Frauen, die nicht viel Geld haben. Ich will ihnen sagen: 'Mädels, natürlich sollt Ihr gut aussehen, aber denkt auch mal eine Sekunde nach, was Ihr da tut'.“ Verbote und erhobene Zeigefinger führten nicht weiter, sagt Kiflai. Lieber will sie zeigen, dass es auch anders geht, dass man nicht bei jeder neuen Kollektion zugreifen muss.
Der Second-Hand-Look sei ihr anfangs eigenartig vorgekommen, doch die ersten Komplimente hätten nicht lange auf sich warten lassen. Nach inzwischen mehreren Wochen Selbstversuch sagt sie: „Das ist alles nicht nötig, man kann auch so gut aussehen, ob flippig oder klassisch mit Anzug, alles geht.“ Über ihren täglich wechselnden Look berichtet Kiflai auf dem Internet-Blog „ Daily Rewind“. Die Klamotten leiht sie in mehreren Secondhand-Shops und bringt sie gewaschen zurück.
Die Frankfurterin fügt sich mit ihrem Selbstversuch in eine ganze Reihe im Internet dokumentierter Verzichtsübungen ein. Dort finden sich Dutzende Autoren, die sich für ein paar Wochen, Monate oder ein Jahr von Plastik, Palmöl oder verarbeiteten Lebensmitteln verabschieden. Ziel neben der Selbsterfahrung: Andere zum Nachdenken und Nachahmen animieren.
Menschen, die ihren eigenen Lebensstil in Richtung mehr Nachhaltigkeit verändern, erfüllen für die Gesellschaft eine wichtige Funktion, indem sie Dinge ausprobieren, sagt der Soziologe Jörn Lamla. Allerdings warnt der Professor aus Kassel, dass eine solche „Politik des Lebensstils“ bei Weitem nicht alles sein dürfe. Denn die Selbstversuche zeigten meist keine wirklichen Lösungen auf.
„Die Gefahr ist, sich damit zufrieden zu geben, dass man das Gefühl hat, man selbst sei engagiert und stehe auf der richtigen Seite“, sagt Lamla. Um wirklich etwas zu verändern, müsse eine Art soziale Bewegung entstehen, sei kollektives Handeln nötig: Eine breite Debatte und Bündnisse vieler Menschen und Gruppen, um beispielsweise genügend Druck auf die Politik ausüben zu können, damit sie eingreift und neue Gesetze erlässt.
Die Stiftung Futurzwei stellt auf ihrer Internetseite eine Sammlung von mehr als 240 Initiativen vor, die zu nachhaltigerem Handeln auffordern wollen. Darunter sind auch Blogs. „Es geht darum, Handlungsspielräume zu nutzen, die es in unserer Gesellschaft durchaus gibt“, sagt Dana Giesecke, die das Projekt leitet. „Trotz großer Probleme wie Klimawandel, Ausbeutung, Verschwendung und Ungleichheit muss man nicht in einer Schockstarre sitzen, sondern man kann schon mal anfangen, etwas anders zu machen, und wenn es nur ein Blog ist, der Aufmerksamkeit erzielt. Jedes Weniger zählt und in der Summe liegt die Kraft.“
Giesecke selbst hat in einem Selbstversuch ein Jahr keine festen Gegenstände wie Möbel oder Kleider gekauft. Ihre Erkenntnis: „Ich habe das, was ich zu Hause hatte, wieder schätzen gelernt. Und ich habe gemerkt, wie sehr die Werbung mich beeinflusst und mir sagt, was ich gefälligst haben soll.“