Weidenbäume bergen viele Überraschungen

Padingbüttel (dpa)- Einst war die Weide bei Korbmachern, Häuslebauern und Heilkundlern begehrt. Heute gelten ihre Zweige als bloße Osterdekoration. Zu Unrecht, meint Claudia Reuter vom „Weidenzentrum Land Wursten“.

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Die Gartenbauingenieurin und Pädagogin züchtet auf ihrem Hof in Padingbüttel (Kreis Cuxhaven) mehrere hundert Weidensorten. „Die Weide ist hier landschaftsprägend. Ich möchte sie auch als historisches Kulturgut wieder ins Bewusstsein rücken.“

„Von der Wiege bis zum Sarg hat man früher alles aus Weiden gemacht“, sagt die vom Niederrhein stammende Gartenexpertin. Für die Nutzung als Kulturbaum werden Weiden in etwa zwei Metern Höhe geköpft. An den Schnittstellen bilden die Bäume dann etliche neue Triebe. So entsteht die Kopfweide. „Wenn man sie erstmal zum Kopf gemacht hat, muss man sie immer schneiden“, sagt Michael Abendroth vom Bremer Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Nur so behält sie ihre Form. Üblich seien Schnitte im Dreijahresrhythmus.

Die dichten Köpfe der Kulturweiden sind begehrte Brutplätze für kleine Singvögel. Dort seien sie vor Räubern sicher, meint Sönke Hofmann vom Naturschutzbund (Nabu) Bremen. In die Baumhöhlen ziehen Fledermäuse, Siebenschläfer und Steinkäuze ein. Die Pollen der Weidenkätzchen locken Wildbienen und Wespen an, auf der Rinde leben etliche Insekten. Weiden sind zudem ein Leckerbissen für Kühe, Ziegen, Pferde und Rehe.

Die Menschen nutzten nicht nur das Holz. Weidenkätzchen landeten früher im Bettbezug und sogar im Suppentopf - denn sie sind essbar. „Weidenrinde ist auch eine altbewährte Heilpflanze, die gegen Schmerzen und rheumatische Beschwerden eingesetzt wurde“, sagt die Pharmaziehistorikerin Ursula Lang. Die Rinde enthalte Salicin, das im Körper zu Salicylsäure umgewandelt werde. „Der Wirkstoff des Aspirins ist Acetylsalicylsäure, ein synthetischer Abkömmling der Salicylsäure.“

Vor zwölf Jahren gründete Claudia Reuter das Weidenzentrum. „Hier war nur Kuhweide“, erinnert sie sich lächelnd. Mittlerweile wachsen auf dem rund zwei Hektar großen Gelände 280 verschiedene, ökologisch angebaute Weiden. „Ich habe auch viele Weiden, die nicht zum Flechten sind.“ Weltweit gebe es rund 500 Weidenarten. „In Mitteleuropa sind eigentlich nur 15 Arten heimisch.“ Hinzu kommen unzählige Kreuzungen.

Reuter baut aus ihren Weiden „Lebend-Gebäude“ für Schulen und Parks. Eines ihrer ersten Projekte im Nordwesten war das Bremerhavener Weidenschloss. Daheim errichtete sie zudem „das größte lebende Labyrinth Norddeutschlands“.

„Das Flechthandwerk stirbt aus“, bedauert Reuter, die auch Kurse für Kinder und Erwachsene gibt. Die Staatliche Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung im oberfränkischen Lichtenfels hat derzeit nur 18 Auszubildende. „Dabei sind wir die einzige Schule weltweit“, seufzt der Lehrer Günter Mix. „Wir könnten 18 bis 20 in jeder Klasse aufnehmen.“ In Lichtenfels gehört Weide zu den wichtigsten Werkstoffen. „Doch es ist mittlerweile ein Problem, gute geschälte Weide zu bekommen“, sagt Lehrer Mix.