Gebrochene Flügel: Reha für Sperlingskauz und Seeadler
Oppelhain (dpa) - Ein Habicht zerkratzte vor kurzem seinen Arm und ein Uhu verhakte sich schon mal in seinem Bein: Falko Göbert steckt das weg. Er hat jeden Tag mit Greifvögeln zu tun. Der Forstwirtschaftsmeister betritt eine große Voliere auf einer Wiese.
Ein Seeadler beäugt ihn scheu aus der Ecke.
Der 45-Jährige will sich den angebrochenen Flügel ansehen. Die Greifvogel-Pflegestation liegt an der brandenburgischen Grenze zu Sachsen. Hier werden verletzte Tiere aufgepäppelt. Demnächst soll die Station vergrößert werden.
Uhu, Adler, Sperlingskauz, Bussard, Rotmilan, Turmfalke: Auf dem Gelände der Greifvogelstation „Försterei Oppelhainer Pechhütte“ gibt es viele Patienten. Sie sind in Quarantäne-Stationen und Freiluftvolieren untergebracht. Oberstes Gebot für die beiden Mitarbeiter: Die Tiere dürfen sich nicht an sie gewöhnen. Denn sie sollen nach ihrer Genesung wieder ausgewildert werden.
Viele der Greifvögel verletzten sich durch einen Aufprall gegen Autos oder Züge, wie Göbert erläutert. Gehirnerschütterungen und gebrochene Flügel sind häufig die Folge. Manche Tiere flogen gegen Fensterscheiben oder Windkraftanlagen. Stromunfälle gingen etwas zurück, sagt der 45-Jährige. Zwischen 80 und 100 Tiere werden pro Jahr in der Pflegestation im Elbe-Elster-Kreis betreut. Die Zahlen sind seit Jahren konstant, wie es heißt. 2000 nahm die Stelle, die zur Oberförsterei Hohenleipisch gehört und vom Land finanziert wird, erstmals ein Tier auf - es war ein Mäusebussard. Operiert wird in der Pflegestation nicht. Dafür sind Tierkliniken zuständig.
Es kommt vor, dass Greifvögel oder Uhus zur Station gebracht werden, die privat gehalten wurden. „Vor mehr als zehn Jahren stand das Landeskriminalamt mal hier mit 80 konfiszierten Tieren“, erzählt Göbert. Ein Falkner aus Sachsen hatte sie demnach illegal gehalten. Schneeeulen und Habichte seien darunter gewesen.
In der Station mitten im Wald ist eine neue Rundvoliere geplant, wie der Forstmitarbeiter sagt. Zudem wolle sich der Standort noch stärker auf Kinder und Familien ausrichten. Die Besucherzahlen seien steigend, 2015 kamen demnach 2000 Interessierte. Es gibt Aktionstage, aber auch Führungen.
Um die Pflege von verletzten Greifvögeln kümmern sich in Brandenburg weitere Stellen. Dazu zählt der Standort Woblitz in Nordbrandenburg. Momentan sei es dort etwas ruhiger, sagt ein Mitarbeiter der Naturschutzstation. Ein Seeadler, zwei Milane und ein Kranich würden derzeit betreut. Generell gebe es aber einen Anstieg von Patienten. Das liege auch daran, dass viele Bürger sensibilisiert seien und sich an Behörden wenden, wenn sie verletzte Tiere entdecken. Der Station mache aber zu schaffen, dass die Zahl der Freiwilligen zurückgehe, heißt es. Die Stelle wird nach eigenen Angaben vom Land und einem Förderverein finanziert.
Eine schwierige Personallage machte auch der Pflegestation für Wildtiere in Melchow nordöstlich von Berlin zu schaffen. Und die Finanzen. Der Pflegestations-Verein wurde deshalb Ende 2015 aufgelöst, wie der ehemalige Vorstandsvorsitzende und Tierarzt Andreas Valentin sagt. Die Station ist an seine Arztpraxis angegliedert. Wie geht es dort jetzt weiter? Der Tierarzt meint, dass er auch künftig niemanden abweisen werde, wenn er ein Tier vorbeibringe.
Obwohl es mehrere Stellen in Brandenburg gibt, die verletzte Greifvögel betreuen, gibt es offensichtlich weiteren Bedarf. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) betreibt in Berlin eine Wildvogelstation im Stadtteil Marzahn, zu der auch immer wieder verletzte Greifvögel aus Südostbrandenburg gebracht werden, wie der Erste Vorsitzende des Landesverbands, Rainer Altenkamp, sagt. Er hält es für sinnvoll, wenn sich daher im Umfeld von Cottbus eine weitere Greifvogelstation etablieren könnte.
Generell habe sich das Verhältnis des Menschen zu Greifvögeln zum Positiven gewandelt, ergänzt Altenkamp. Früher seien sie häufiger gejagt worden, heute gebe es mehr Respekt vor den Tieren.
Göbert hat mittlerweile den Seeadler überlistet und eine Jacke über das Tier geworfen. Behutsam greift er zu und sieht sich den Patienten an. Andere Greifvögel beobachten die Szenerie, sie haben sich am oberen Gitter der Voliere verschanzt. Alles soweit ok - Göbert verlässt das „Krankenzimmer“ wieder.