Vom Galopp ins Schritttempo: Was alten Pferden guttut
Haßleben (dpa/tmn) - Wenn Rösser rasten, rosten sie: Das gilt insbesondere für alte Pferde. Auch wenn sie nicht mehr fit genug sind, um geritten zu werden, müssen ihre Halter für ausreichend Bewegung sorgen.
Stute Marjell ist eine Pferdeoma. Mit ihren 33 Jahren freut sie sich zwar über gelegentliche Spaziergänge. Vom Ausreiten will die alte Dame aber nichts mehr wissen. „Irgendwann kam ich mit dem Sattel in den Stall, und sie drehte sich weg“, erzählt Besitzerin Sabine Gosch von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT). Verwundert hat das die Tierärztin aus Muggensturm nicht: Schließlich war Marjell damals schon 30 Jahre alt.
„Ob und wann dieser Zeitpunkt kommt, ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich“, erklärt Andreas Gebhardt, Pferdephysiotherapeut aus Haßleben. Er kennt Pferde, die mit zehn Jahren schon Rentner sind.
Bei tiergerechter Belastung sind Ausritte auch mit Pferdesenioren möglich. „Bewegungsmangel, schlechte Hufpflege und falsches Reiten können auch bei jungen Pferden zu Problemen führen“, sagt Gebhardt. Um das zu verhindern, empfiehlt er ausreichend Bewegung: „Sie ist unabhängig vom Alter das A und O.“
„Wer rastet, der rostet“, sagt auch Bruno Stanitzki, Pferdetherapeut aus Aachen. Auch wenn das Tier zu alt fürs Reiten sei, sollten Besitzer mit ihm spazieren gehen, es longieren oder Bodenarbeit machen. „Lieber täglich eine halbe Stunde bewegen, als zweimal die Woche mehrstündige Ausritte“, empfiehlt Petra Doleschal, Mitgründerin der Gesellschaft Forschung für das Pferd.
Während Pferde in Boxenhaltung jeden Tag bewegt werden müssen, können sich Pferde in Offenstallhaltung die Bewegung selbst verschaffen. „Diese Haltung kann aber auch Probleme machen“, warnt Doleschal. Denn die Pferde bekämen zwar genügend Bewegung - aber nicht immer die richtige. „Es kann passieren, dass ein altes Pferd ständig herumgescheucht wird“, sagt sie. Ein junger Hengst nehme am Futtertrog keine Rücksicht darauf, ob der Kollege nebenan Gelenkschmerzen hat.
Gosch hat Marjell in einer gemischten Gruppe untergebracht. „Sie ist jetzt die Beschützerin einer jungen Stute und fast in die Rolle der Erzieherin geschlüpft“, erzählt die Tierärztin. Doch das sei nicht der Normalfall, sondern könne auch schiefgehen. „Man muss ausprobieren, wo das Tier sich wohlfühlt.“
Ist es für ein Pferd vorbei mit dem Reiten, stellt das Besitzer vor ein Problem. Ihr Hobby können sie mit dem Tier nicht mehr ausüben, die Kosten bleiben. „Wer es sich leisten kann, kauft ein junges und hält das alte als Beistellpferd“, sagt Stanitzki. Hat das Tier Pech und dem Besitzer geht es nur um den Nutzwert, sieht seine Zukunft düster aus: Dann drohen Schlachter, Einschläfern oder Gnadenhof.
Doch solche Fälle sind den Experten zufolge eher die Ausnahme. Die meisten Besitzer kümmern sich bis zum Schluss um ihr Tier. Gosch macht sogar die Erfahrung, dass Besitzer Pferde zu früh schonen.
Physiotherapeut Gebhardt hält es für wichtig, zu berücksichtigen, wofür der Reiter das Pferd nutzt. Manchmal sei es kein Problem, sich an die Senioren anzupassen. Manchmal werde das Tier besser an andere Reiter gegeben. „Häufig reiten sie Anfänger, um etwas von ihnen zu lernen“, erklärt der Pferdetherapeut. Auch um junge Tiere auszubilden, eignen sich die Senioren, sagt Gosch: Ob beim ersten Ritt im Gelände oder beim ersten Hängerfahren können sie Jungspunden beibringen, dass keine Gefahr droht.