Waschbär und Co. auf Jagd - nicht nur Jäger warnen
Gartow (dpa) - Waschbären im Garten können nerven, doch mancherorts werden sie gar zur Gefahr. Vor allem in der Vogelwelt richten die kletternden Kleinbären erheblichen Schaden an, warnen auch Zoologen.
Dick und behäbig trottet der pelzige Geselle am Nachmittag über die Landstraße. Ein kurzer Blick auf den herannahenden Autofahrer, dann verschwindet der Waschbär wieder im Wald. Und er ist nicht allein in der Umgebung von Gartow im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Ob im Berliner Regierungsviertel oder draußen in den Wäldern des dünn besiedelten Wendlands: Die Waschbären werden immer mehr.
Geschickt und anpassungsfähig erobern die aus Amerika stammenden Allesfresser Innenstädte und ganze Landstriche. Seit erstmals in den 1930er Jahren bei Kassel und Berlin Waschbären ausgesetzt wurden, haben sich die Tiere heute in fast allen Bundesländern ausgebreitet. Nach vorsichtigen Schätzungen sind es mittlerweile rund 500 000. Auch die neuesten sogenannten Streckenzahlen belegen das. Genau 71 071 Waschbären wurden in Deutschland laut Deutschem Jagdschutzverband im Jagdjahr 2011/2012 erlegt, 3365 mehr als im Jahr zuvor.
Wie der aus dem Osten stammende Marderhund und der Mink - die amerikanische Ausgabe des einst in Deutschland beheimateten Nerzes - werden die putzig aussehenden Kleinbären dabei zur Gefahr für manches Gelege. Auch Jungvögel werden nicht verschmäht. In Thüringen etwa haben die Waschbären bereits jeden fünften Horst des Uhus erobert, berichtet Torsten Reinwald vom Jagdschutzverband in Berlin.
„Der Waschbär ist viel wirksamer und einflussreicher als etwa der Marderhund“, bestätigt der Rostocker Zoologe Professor Ragnar Kinzelbach. „Der Waschbär ist ein ausgewiesener Kletterer und ausgesprochener Fleischliebhaber. Dabei räumt er auch Gelege auf den Bäumen aus, was andere Räuber nicht können.“
Nicht nur die Jäger blasen deshalb zum Halali. „Naturschützer und Jäger sind sich bei uns einig, dass der Waschbär stärker bejagt werden muss“, berichtet der Jäger und Fachjournalist Peter Burckhardt aus Gartow. Gemeinsam mit den Naturschützern müsse man etwas tun. So würden etwa Plastikmanschetten um die Nistbäume von Höhlenbrütern wie Sperlingskauz, Hohltaube und Schellente gelegt. Auch Fledermäuse seien bedroht, sagt Burckhardt. „Und im Biosphärenreservat Elbtalaue werden Fallen an die Jäger ausgegeben, sonst bekommen wir das hier auch in Niedersachsen nicht mehr in den Griff.“
„Es ist offensichtlich, dass der Waschbär eine ökologische Nische besetzt, die einheimische Raubsäuger wie der viel seltenere Baummarder nicht besetzen“, erklärt Johannes Prüter, Leiter des Biosphärenreservats an der Elbe. „Es gibt klare Hinweise darauf, dass die Zahl der Höhlenbrüter erheblich abgenommen hat. Selbst im Seeadlerhorst wurden schon Waschbären gesichtet“, sagt der Professor. Deshalb unterstützt das Biosphärenreservat auch mit Blick auf den Schutz der Wiesenvögel die Jäger bei der Fallenjagd.
Doch der Waschbär ist nicht die größte Gefahr: „Noch schlimmer ist der Mink. Der frisst uns entlang der Gewässer die Wasservogelgelege weg“, erklärt Zoologe Kinzelbach. „Man kann nicht warten, bis sich das auf natürlichem Wege regelt“, warnt er.
Schuld an dem Problem mit den tierischen Neubürgern - in der zoologischen Fachsprache als „Neozoen“ bezeichnet - hätte aber vor allem der Mensch. Nicht nur mit Straßenverkehr und Monokulturen habe er die einheimische Tierwelt nachhaltig geschädigt. „In einer sich frei entwickelnden Natur wären solche Tiere kein Problem und könnten sich in die einheimische Tierwelt integrieren.“