Reisepreise im Vergleich Bahn vs. Flugzeug: Was ist wirklich billiger?
Düsseldorf. · Kostet eine Zugfahrt wirklich meist mehr als ein Flug? Woher kommen die unterschiedlichen Preise für eine Strecke? Wir beantworten diese Fragen der Reisenden.
Es ist eine gefühlte Wahrheit, die sich beharrlich hält: Bahnfahren ist innerhalb Deutschlands viel zu teuer, Fliegen im Vergleich günstig. Gerade in Zeiten der großen Klimaschutzdebatte hat diese gefühlte Wahrheit Konjunktur. Die Frage ist, ob sie mehr ist als gefühlt. Ein Versuch, das Dickicht der Reisepreise zu lichten.
Eine kleine Blitz-Stichprobe für den Samstag, 19. Oktober, auf drei beliebigen Strecken widerlegt die These vom Bahnticketwucher offenbar. Wer an diesem Tag mit dem Zug von Düsseldorf nach Berlin reisen will, zahlt ab 41,90 Euro für eine Bummelverbindung mit Umsteigen und Regionalexpress, die Direktfahrt gibt es ab 89,90 Euro. Bei Eurowings gibt es Flüge ab 49,99 Euro, aber auch Verbindungen für stolze 329,99 Euro – und: Wer Gepäck mitnehmen will, muss hier noch drauflegen.
Auf der Strecke Hamburg-Dresden ist die Bahn schon ab 25,90 Euro unterwegs, allerdings mit dreimaligem Umstieg; direkt zahlt man ab 59,90 Euro. Hier ist die Bahn deutlicher Gewinner, denn ein Portal spuckt als günstigste Flugalternative die Lufthansa mit Stop-over in Frankfurt aus – und einem Ticketpreis ab 180,23 Euro. Von Frankfurt nach München geht es Samstag in einer Woche mit dem Zug laut Stichprobe sogar auf direktem Weg mit dem Eurocity für 19,90 Euro, günstigster Fluganbieter wäre abermals die Lufthansa, mit allerdings 107 Euro.
Zugegeben: Das ist nicht repräsentativ. Eher schon die Vergleichsstudie der Marktforscher von Quotas im Auftrag der International Union of Railways, die zwischen 2015 und 2017 elf europäische Städteverbindungen auf der Schiene und in der Luft ins Auge gefasst hat; jeweils mit unterschiedlichen Buchungszeiträumen. Das Ergebnis: Die Bahn war in jedem dieser Jahre bei mehr als 80 Prozent der Buchungen günstiger. „Im Jahr 2017 wurden fast 90 Prozent der Preisvergleiche durch die Bahn gewonnen“, so die Forscher. Und: Die Zeitersparnis beim Flug gegenüber der Zugfahrt (wobei beim Flieger etwas mehr Zeit für die Abläufe am Flughafen eingerechnet wurde) schmolz in den drei Jahren von zwei Stunden und 33 Minuten auf noch knapp zwei Stunden.
„Die Wahrnehmung, Fliegen sei immer billiger als die Bahn, ist falsch“, stellt Philipp Kosok vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) fest. Bleibt die zweite Frage: Woher kommt überhaupt der Dschungel an unterschiedlichen Preisen für ein und dieselbe Strecke? Warum kann ich von Düsseldorf nach Berlin mal für 19,90 Euro fahren, mal erst ab 89,90 Euro? Und warum sollte ich für einen Zug, den es ab 41,90 Euro zu buchen gibt, 100 Euro mit Flexi-Ticket zahlen?
Der VCD untersucht, wann man buchen muss, um zu sparen
Wie welcher Ticketpreis bei der Bahn zustande kommt, beschäftigt laut Kosok auch den Verkehrsclub sehr. So sehr, dass zur Frage, wann man buchen muss, um noch Chancen auf einen guten Sparpreis zu haben, gerade eine Marktforschungsstudie in seinem Auftrag läuft. Ende November sollen Ergebnisse vorliegen.
Die Unternehmen selbst lassen sich naturgemäß nur ungern in die Karten schauen, wenn es um ihre Preiskalkulation geht. So verweist Eurowings auf Nachfrage, warum eine Strecke mal für 49,99 und mal für 329,99 Euro angeboten wird, auf „viele verschiedene Einzelkomponenten“ wie Steuern, Flughafengebühren, Kerosin und Flugsicherung. Ansonsten bittet eine Sprecherin um „Verständnis, dass wir aus Wettbewerbsgrünen unsere Preisstruktur sowie -gestaltung nicht im Detail offenlegen können“.
Der Preis soll die Nachfrage steuern – und so die Auslastung
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn verrät immerhin, dass es für jede Preisklasse in einem Zug Kontingente gibt. „Wenn ein Kontingent ausgeschöpft ist, wird das nächste angeboten.“ Dabei sei der immer teuerste Flex-Preis ohne Zugbindung „ein klassisches Angebot für Geschäftsreisende“, die etwa nicht absehen könnten, wie lange ein Meeting dauert. Für die restliche Preisgestaltung gelte: „Das Bestimmende ist die Nachfrage.“ Die unterscheide sich je nach Terminen von Messen oder Ferienbeginn, sie variiere aber auch auf Pendlerstrecken.
„Die Bahn kennt ihre Fahrgäste und ihr Netz sehr gut“, sagt Kosok. Es gebe eine eigene Computersimulation, die berechne, wo und wann viel Nachfrage zu erwarten sei. Die Preispolitik sei ein Instrument, um die Nachfrage und somit die Auslastung der Züge zu steuern – etwas, das sich die Bahn von den Airlines abgeguckt habe. Deshalb sei auch kurzfristig noch ein billiger Deal möglich, wenn ein Zug schwach gebucht werde: „Die Bahn steuert immer noch mal über Sparpreistickets nach“, so der Experte. Gerechnet werde also nicht, wie viel günstige Tickets eine Zugverbindung vertragen kann, um noch wirtschaftlich zu sein. Es gehe vielmehr darum, über den Tag gesehen so viele Reisende wie möglich zu transportieren. Kosok: „Das ist ein sinnvolles System, das von den Fahrgästen auch weitgehend akzeptiert ist.“ Der Unterschied, den er bei Bahn und Flugzeug sieht: Hat eine Airline ständig Mühe, eine Verbindung auszulasten, sei sie im Jahr darauf verschwunden, während die Bahn ein flächendeckendes Angebot sicherstelle – auch auf weniger einträglichen Strecken.
Obwohl der Zug im Preisvergleich besser abschneidet, als in der „verzerrten Wahrnehmung“ der Deutschen, versteht Kosok die Forderungen nach günstigerem Bahnfahren. Allerdings sei da die Bundespolitik gefordert. Die Bahn zahle Stromsteuer und EEG-Umlage, Kerosin indes sei noch nicht besteuert. „Da geht es um Milliarden“, so Kosok. Auch beim Zertifikatehandel und der Mehrwertsteuer bei Reisen ins Ausland seien die Airlines begünstigt. „Ohne diese falschen Steueranreize wäre Bahnfahren noch deutlich günstiger“, glaubt der VCD-Sprecher. Immerhin: Mit der Mehrwertsteuersenkung für Bahntickets sinken die Preise Anfang 2020 um zehn Prozent – ein erster Schritt zur Verkehrswende aus dem aktuellen Klimapaket der Bundesregierung.