Auf dem Sattel durch den Kiez - Fahrradtouren durch Berlin
Berlin (dpa/tmn) - Die U-Bahn ist stickig, der Bus stoppt jede fünf Meter - Berlin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erkunden, kann Nerven rauben. Warum also nicht einfach aufs Fahrrad umsteigen?
Die Ampel hat schon wieder auf Rot umgeschaltet. Die Hälfte der großen Truppe ist dahinter geblieben, die andere Hälfte wartet auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Fahrradfahren in Berlin ist eben Fahrradfahren in der Großstadt. Für Touristen aber womöglich lohnenswerter, als in der U-Bahn orientierungslos im Dunkeln von einer Attraktion zur nächsten zu fahren.
„Es war ein Fehler in der Bauausführung“, erklärt Christian Tänzler gerade seinen Mitradlern. Er meint das Dach des Hauses der Kulturen der Welt, das 1980 einstürzte. Tänzler arbeitet für die Tourismusbehörde der Stadt Berlin und radelt heute mit einigen Hoteliers am Spreeufer entlang. Die Schwangere Auster, wie sie im Volksmund heißt, ist schon lange wieder saniert und beherbergt nun Ausstellungen und Konzerte.
Die Hoteliers radeln mit, um ihr eigenes Produkt auszutesten und zu bewerben. Denn einige Gästehäuser in der Stadt haben sich zu einer AG der fahrradfreundlichen Hotels zusammengeschlossen und Fahrradtouren entworfen. Sie führen durch ihren Kiez - mit mal mehr, mal weniger bekannten Facetten der Hauptstadt.
Vor dem Betriebskindergarten des Deutschen Bundestags hält Tänzler an. An dem flachen, blauen Gebäude hinter dem Abgeordnetenhaus bleiben die meisten Touristen sonst wohl eher nicht hängen. „Das ganze Ding hat zehn Millionen Mark gekostet“, sagt Tänzler. Es sei für 170 Kinder konzipiert worden - aber nicht für die der Abgeordneten, sondern für den Nachwuchs der Bediensteten des Bundestags.
Insgesamt gibt es zurzeit 41 Kieztouren, von den Hotels erstellt. Auf der Seite der Tourismusbehörde sind sie zusammengestellt. Viele führen durch die Stadtmitte, ein paar widmen sich aber auch weniger frequentierten Kiezen wie Teltow oder Spandau. Von den Touren können sich Touristen PDF-Dateien herunterladen und auf eigene Faust losziehen. In den Hotels, die bei den Kieztouren mitwirken, bekommen sie die nötigen Leihräder.
Nach Kindergarten und Auster radeln Tänzler und Hoteliers weiter an der Spree entlang, über die Brücke auf den Moabiter Werder. Hier erstreckt sich ein Gebäude, für das die Berliner natürlich auch einen Spitznamen gefunden haben: die Beamtenschlange. Es wurde ursprünglich für die Abgeordneten gebaut, die von Bonn nach Berlin umziehen mussten. „Das ist nicht ganz eingetroffen“, erzählt Tänzer. Man habe das Gebäude schließlich auch für Nicht-Abgeordnete geöffnet. Beste Lage, aber keine Balkone, bemängelt Tänzer und schwingt sich wieder auf den Sattel.
Hinter ihm radelt Christoph Hecker, Front Office Manager beim Mercure Hotel Berlin City, das die heutige Tour entworfen hat. „Wir haben einen sehr sportlichen Direktor“, begründet er, wie es dazu kam. Aber das sei nicht die einzige Motivation gewesen: Von Seiten der Gäste habe es immer wieder Fragen diesbezüglich gegeben. Das Angebot sei nun gut angenommen werden. „Das ist nicht der Stadtplan, den jeder hat“, sagt Hecker.