Bayern: Genießerregion Tegernsee
Das kulinarische Spektrum reicht von der deftigen Wirtshausküche bis zum Sternenhimmel für Gourmets.
Düsseldorf. Christian Jürgens ist freundlich, aber auch ein wenig nervös: Der Zwei-Sterne-Koch begrüßt die Reisegruppe aus Nordrhein-Westfalen im Foyer des Seehotels Überfahrt, aber der Blick geht immer wieder zur benachbarten Sitzgruppe. Dort sitzt ein russischer Oligarch mit Begleitung.
Die 260 Quadratmeter große Royal-Suite für 3500 Euro ist bezogen, das Fläschlein Roederer Cristal steht auf dem Tisch — und nun möchte der russische Gast bei Jürgens speisen. Denn eigens dafür ist er herbeigejettet, gönnt sich gleich das 13-Gänge-Menü.
„Er kommt von Zeit zu Zeit“, sagt Jürgens, der Ehrgeiz hat, aber eine professionelle Lockerheit an den Tag legt, die er auch in seinem Gourmetrestaurant pflegt. „Man kann sich auch einmal legerer anziehen“, sagt er überzeugt. „Da können wir uns etwas von den Franzosen abgucken.“
Ein Satz, der zur Entwicklung am Tegernsee passt. Ob mit Wellness oder der längsten Naturrodelbahn Deutschlands: Allseits wird daran gearbeitet, das etwas hüft-steife Image rund um die Gemeinden Rottach-Egern, Tegernsee, Gmund und Bad Wiessee zu verjüngen. Welches Bild in den meisten Köpfen herumspukt, wenn an das traumschöne Tal in 726 Metern Höhe gedacht wird, ist am besten am Wirtshaus Bachmaier auszumachen.
Es hat seine besten Tage hinter sich, an der Fassade hängt ein Devotionalienkasten mit Fotos aus der Zeit, als es nur zu Weihnachten Lachs gab und der Tegernsee seinen Ruf als „Lago di Bonzo“ erwarb. Max Greger, Roberto Blanco, Udo Jürgens sind da zu sehen, natürlich auch Uli Hoeneß, der am Ort lebt und hier sein Ideal von Bayern erfüllt sieht.
Wer den Malerwinkel von Rottach-Egern gesehen hat, wird ihm Recht geben. Der Anblick ist so schön, dass dort vermutlich der bayrische Heimatfilm und die Urlaubspostkarte erfunden worden sind. Und im Schatten der Laurentiuskirche liegen die Ur-Bayern Ludwig Ganghofer und Ludwig Thoma begraben.
Wenn auch die Loden- und Pelzquote immer noch sehr hoch ist, so haben das Traditionsbewusstsein und der Wille zum Bewahren auch ihr Gutes: Hotelburgen oder irrwitzigen Ski-Zirkus gibt es nicht am Tegernsee.
Da muss man schon ums Eck, und diese Beschaulichkeit passt zum sanften Tourismus und zur Idee vom nachhaltigen Umgang mit der Natur, wie er heute von der Mehrheit der Touristen gewollt wird.
Es ist kein Zufall, dass das Tal nun zur ersten Genießerregion Bayerns gekürt worden ist. Gerade erst hat eine Naturkäserei ihren Betrieb aufgenommen. Vier Sterne verteilen sich auf drei Restaurants — neben der Überfahrt die Villa am See und die Egerner Höfe. Ständig machen auch sehr bodenständige und für das Ferienbudget verträglichere Restaurants bei der Aktion mit.
Im Herzoglichen Bräustüberl geht es bratentechnisch zünftig zu, und als besonders kreativ hat sich das Ehepaar Manuela und Manfred Groß in die Herzen der Gäste gekocht. Die beiden servieren bayrische Tapas. In ihren Ostiner Stuben in Gmund gibt es schmackhafte Kartoffel-Kalbsbratroulade, köstliche Garnelen im Weißbierteig oder wunderbare Wirsing-Hirschwickerl — mit familientauglichen Preisen um die vier Euro pro Portion. Also dann: „An Guadn!“