Singapur wie früher: Großstadtflucht nach Pulau Ubin
Singapur (dpa/tmn) - Wolkenkratzer, volle Straßen, Anzugträger mit Handy am Ohr: Singapur ist tropisches Südostasien und ein Zentrum der globalen Wirtschaft. Wer eine Auszeit vom Metropolenleben sucht, muss aber nicht weit reisen - eine Bootstour nach Pulau Ubin reicht.
Die Wirtin des Hafenrestaurants schüttelt den Kopf: „Nein, tut mir leid, keine Kreditkarten“. Dass sie auf Banknoten besteht, überrascht den Besucher. Denn drüben auf Singapurs Hauptinsel lässt sich mit Plastikgeld jeder Kaugummi bezahlen - den man wegen der drakonischen Strafen besser nie auf die Straße spuckt. Doch hier im „Season Live Seafood“ auf Pulau Ubin ist nur Bares Wahres. Und das passt ganz gut zu dieser kleinen Insel in der Straße von Johor im Nordosten Singapurs. Besuchern der Weltstadt ermöglicht sie, für einen Tag in eine andere Welt zu flüchten.
Nur zehn Minuten dauert die Fahrt mit einem der schaukelnden kleinen „Bumboats“, die am Fährterminal Changi Point nahe des Flughafens von Singapur ablegen. Einen festen Zeitplan gibt es nicht, die Skipper warten so lange, bis zwölf Passagiere an Bord sind. Ein wenig Geduld muss man also mitbringen. Dafür kostet der Transfer nur 2,50 Singapur-Dollar (etwa 1,45 Euro) pro Person.
Pulau Ubin soll Singapur so zeigen, wie das ganze Land in den 1960er Jahren aussah - mit diesem Anspruch bewirbt das staatliche Tourismusamt gerne die Ausflüge auf die „Granitinsel“, wie sich Pulau Ubin aus dem Malaiischen übersetzen lässt. An dem Slogan mag ja manches stimmen, aber ein großer Unterschied zur Zeit vor 50 Jahren fällt schon zehn Meter nach Verlassen des Landungssteges auf: Damals stand Pulau Ubins kleine Hauptstraße sicher nicht voller Mountainbikes. Hunderte Leihräder warten heute auf Kunden, pro Tag kostet die Miete meist acht Sing-Dollar (4,60 Euro).
Sobald man aus der kleinen Ortschaft im Süden der Insel geradelt ist, bleibt die moderne Zivilisation rasch zurück. In die 60er Jahre - im Kopf ist das eine Reise in die Zeit des Vietnamkrieges. Ob die kleinen Hütten am Wasser damals auch schon so ausgesehen haben? Gut möglich. Die über die Insel verteilten Unterstände - Holzpfähle mit einem Metalldach als Schutz vor den tropischen Regengüssen - scheinen dagegen jüngeren Datums zu sein. Wenn es mal wie aus Eimern gießt, können Radler dort das Ende des Schauers abwarten - und andere Outdoor-Entusiasten treffen, die in der üppigen Natur unterwegs sind.
Wanderer mit großen Rucksäcken kommen den Radfahrern auf der Straße entgegen, an einer Brücke macht sich ein Dutzend Kajakfahrer startklar - mit gelben Schwimmwesten und orangenen Booten sind sie bunte Tupfer vor einer Wand schillernder Grüntöne. Kleine Flüsse und Seen sprenkeln Ubin, und auch ein paar Hügel gibt es hier - mit maximal 70 Metern nicht besonders hoch, aber sehr steil. Viele Radler steigen lieber ab und schieben, um in der tropischen Schwüle nicht sofort ins Jappsen zu geraten.
Malaysia erscheint von Ubins Nordküste aus zum Greifen nahe, die größte Attraktion aber liegt im Osten der Insel. Die Chek Jawa Wetlands sind ein Naturschutzgebiet mit Mangroven, Regenwald und einer Meereslagune voller Seegras. Mit etwas Glück sieht man kleine Affen in den Bäumen herumturnen und Wildschweine auf dem Boden nach Nahrung suchen. Besucher können auf einem Stelzenweg über die sanft plätschernden Wellen spazieren, darin nach Seepferdchen und Seesternen Ausschau halten oder auf den 20 Meter hohen Aussichtsturm steigen. Kein Wolkenkratzer ist zu sehen, stattdessen schweift der Blick weit über die sattgrüne Landschaft, darüber kreisen Seeadler.
Und es sind noch viel größere Vögel zu sehen: Südlich von Ubin liegt über dem Meer eine Einflugschneise zu Singapurs geschäftigem Flughafen, die A380 und Jumbo-Jets schweben manchmal im Zwei-Minuten-Takt ein. So ganz aus der Welt bringt einen die Tagestour nach Pulau Ubin dann doch nicht.
Informationen:
Singapore Tourism Board, Hochstraße 35-37, 60313 Frankfurt; Telefon: 069/920 77 00, E-Mail: stb.germany@stb.gov.sg.