Die Deutschen verreisen wie die Weltmeister

Berlin (dpa/tmn) - Die Deutschen brechen beim Verreisen nach wie vor alle Rekorde. Trotz vieler Hiobsbotschaften gaben sie 2011 sogar noch mehr Geld für Urlaube aus, hat die FUR-Reiseanalyse ergeben. Doch die Forscher stehen auch vor Rätseln.

In Japan bebt die Erde, in Italien sinkt ein Kreuzfahrtschiff, in Europa wackelt die Währung - und die Deutschen verreisen trotzdem wie die Weltmeister. Noch nie war die Anzahl der Urlaubsreisen so hoch wie 2011, noch nie wurde für die schönsten Tage des Jahres so viel ausgegeben. Und auch 2012 wird sich nach Ansicht von Experten daran wenig ändern.

„Die weiterhin hohe Stabilität der Nachfrage ist schon bemerkenswert“, findet auch Prof. Martin Lohmann, einer der Autoren der Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), die am Mittwoch auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB, 7. bis 11. März) in Berlin vorgestellt wurde. „Trotz aller Hiobsbotschaften fahren die Deutschen stur in Urlaub.“

Dafür werde schon einmal die Anschaffung eines neues Rasenmähers oder eines neuen Kühlschranks verschoben. „Eine Urlaubsreise kann ich aber schlecht ins nächste Jahr verlegen“, erklärt sich Lohmann den anhaltenden Boom. „Urlaub hat einen solch hohen Stellenwert, dass die Deutschen trotz aller Probleme nicht darauf verzichten wollen“, sagt FUR-Geschäftsführer Rolf Schrader.

60 Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangenen Jahr für ihren Urlaub ausgegeben. Hinzu kommen noch einmal 19 Milliarden für Kurzurlaube. Doch die hohen Ausgaben kommen keineswegs durch längere Aufenthaltsdauern am Urlaubsort zustande. Ganz im Gegenteil: Die Dauer der Reisen geht zurück. Betrug die durchschnittliche Urlaubsdauer vor 20 Jahren noch zwischen zwei und drei Wochen, sind es heute nur noch zwischen ein und zwei Wochen. „Die Deutschen werden beim Urlaub immer effizienter“, so Lohmann: immer kürzer, aber immer besser.

Über die Gründe dafür lässt sich nur spekulieren. „Eine Erklärung wäre, dass es für Arbeitnehmer schwieriger wird, länger Urlaub zu bekommen“, so Lohmann. Eine andere, dass der Trend hin zu mehreren kürzeren Urlauben geht. „Letztlich sind die wirklichen Gründe aber unklar, ich stehe da selbst vor einem Rätsel“, sagte Lohmann.

Nicht nur dass die Deutschen weiterhin oft verreisen, auch bei den bevorzugten Zielen sind sie wenig kreativ. Schon seit Jahren dominiert ein Quintett die Rangliste der beliebtesten Urlaubsländer. Ganz an der Spitze steht weiterhin Deutschland, das auf einen Anteil von etwa einem Drittel kommt. Dahinter folgt konstant Spanien weit vor Italien, der Türkei und Österreich.

Doch es ist keineswegs so, dass die Deutschen auf ein Ziel fixiert sind. „Wachsende Multioptionalität“ nennt das der Forscher. Sprich: Es gibt eine große Auswahl an Zielen, die Kunden sind sehr flexibel. „Wenn Ägypten in einem Jahr eben mal nicht geht, machen die Urlauber einen Städtetrip nach Paris oder gehen auf Ostseekreuzfahrt“, erklärte Lohmann.

Diese Flexibilität hat sich im vergangenen Jahr an einem Beispiel ganz besonders gezeigt: Nordafrika. Nachdem der Tourismus in Ägypten und Tunesien infolge der Revolutionen fast vollständig zum Erliegen gekommen war, wichen die Deutschen einfach auf andere Ziele aus. „Die Kanarischen Inseln haben als Winterziel profitiert, die Türkei als Sommerziel“, sagte Lohmann. Ägypten fiel in der Folge aus den Top 10 der beliebtesten Reiseziele.

Ein enger Zusammenhang besteht grundsätzlich zwischen dem bevorzugten Reiseziel und der gewählten Urlaubsart, fanden die Forscher heraus. Geht es um Sonne und Strand sind Spanien, Türkei und Italien die klaren Favoriten der Deutschen. Beim Aktivurlaub führen Österreich, Italien und Bayern die Rangliste an, bei Gesundheitsurlaub Bayern, Polen und Tschechien.

Auch 2012 rechnet Lohmann nicht mit einer nachlassenden Reiselust: „Viele Anzeichen sprechen dafür, dass 2012 erneut ein gutes Reisejahr werden wird, vielleicht sogar noch ein besseres als 2011“, sagt er. Als Beleg dient ihm die Urlaubsstimmung. 57 Prozent der Deutschen haben bereits feste Urlaubspläne, nur 11 Prozent wollen gar nicht verreisen. Das sind genau dieselben Werte wie Vorjahr.

Dabei müssen die Reisenden nicht viel tiefer in die Tasche greifen, hat die FUR-Reiseanalyse ermittelt - nur moderat werden die Preise steigen. „Das Urlaubsangebot hat eine sehr hohe Qualität erreicht“, erläuterte Lohmann. Die Gäste seien fast durchweg sehr zufrieden mit ihrem Urlaub. „Doch daraus erwachsen natürlich noch höhere Ansprüche.“ Und weil es auf dem Markt relativ hohe Überkapazitäten gibt, können die Veranstalter ihre Anstrengungen nicht in höhere Preise ummünzen. „Für relativ wenig Geld gibt es relativ viel Leistung“, so Lohmann, der den Urlauber als der „lachenden Dritten“ im harten Wettbewerb der Anbieter sieht.