Flohbisse und fehlendes Packeis - Weswegen Urlauber klagen
Berlin (dpa/tmn) - Zu meckern haben Urlauber fast immer etwas. Üblicherweise über Dreck am Strand oder langes Warten am Buffet. Vor Gericht landen aber auch Fälle, die manchmal geradezu bizarr erscheinen.
Das gilt hin und wieder auch für die Argumentation der Juristen.
Schnarchende Sitznachbarn im Flugzeug, zusammenbrechende Hotelstühle und beißende Schäferhunde: Deutsche Gerichte müssen sich nach den schönsten Wochen des Jahres immer wieder mit zum Teil ziemlich kuriosen Rechtsstreitigkeiten herumschlagen. Eine Auswahl:
Mief, Mief, Mief: Stark schwitzende Sitznachbarn im Flugzeug können den schönsten Flug zur Tortur werden lassen. Ein höchstrichterliches Urteil kann davor schützen: Wegen strengen Körpergeruchs musste ein Passagier am Flughafen Honolulu vor seinem Rückflug nach Düsseldorf wieder den Flieger verlassen. Der Bitte der Flugbegleiter, das verschwitzte Hemd zu wechseln, konnte er nicht nachkommen: Sein Gepäck befand sich schon im Frachtraum. Der Passagier argumentierte, er sei bei hohen Temperaturen wie alle Passagiere durch den Flughafen gerannt. Da jedoch die Airline die Beförderung von Reisenden mit extremem Körpergeruch in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen hatte, musste er draußen bleiben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sprach ihm lediglich die Kosten für eine zusätzliche Hotelübernachtung in Höhe von 260 Euro zu. Schadenersatz bekam er nicht (Az.: I-18 U 110/06).
Schnarch: Keinen rechtlichen Ausweg gibt es jedoch bei schnarchenden Sitznachbarn im Flugzeug. Sie sind kein Grund für eine Minderung des Reisepreises. Schnarcher sind eine Unannehmlichkeit, aber kein Reisemangel, urteilte das Amtsgericht Frankfurt am Main (Az.: 31 C 842/01-83).
Krachender Kunststoff: Bricht auf dem Balkon eines Hotels ein Plastikstuhl zusammen, muss der Reiseveranstalter nicht dafür haften. Stühle müssten nicht regelmäßig auf ihre Sicherheit überprüft werden, urteilte das Oberlandesgericht Koblenz, nachdem ein Urlauber in Kroatien wegen eines zerbrochenen Stuhlbeins mit dem Kopf an die Balkonwand geprallt war und deshalb Schadenersatz verlangte. Plastikstühle sind keine besonderen Gefahrenquellen, zumal wenn sie ein EU-Sicherheitszertifikat tragen und erst ein paar Monate alt sind, befanden die Richter. Nicht bekannt ist die Körperfülle des Klägers und ob diese eine Rolle beim Urteil gespielt hat (Az.: 2 U 1104/10).
Pflichtbewusster Vierbeiner: Juweliergeschäfte können mitunter sehr gefährlich sein - wenn schon nicht für den Geldbeutel, dann doch wegen beißender Hunde. Das Oberlandesgericht Koblenz musste einen Fall verhandeln, bei dem ein 72-Jähriger bei einem Ausflug in der Türkei auf einem Parkplatz vor einem Juweliergeschäft von einem Wachhund angefallen worden war. Mehrere Monate litt der Urlauber unter Schmerzen und forderte deshalb 3000 Euro vom Reiseveranstalter. Zu Recht, wie das Gericht urteilte. Denn auf eine nicht erkennbare Gefahr müsse hingewiesen werden, etwa durch ein Warnschild. Dass der Reiseleiter beim Verlassen des Busses nicht auf die Wachhunde aufmerksam gemacht hatte, sei ein Verschulden, für das der Veranstalter haftet (Az.: 5 U 1354/10).
Flöhe husten hören: Auch wenn die Tiere eine Nummer kleiner sind, gibt es Schmerzensgeld. Wird ein Urlauber am Strand ständig von Sandflöhen gebissen, hat er Anspruch auf eine Minderung des Reisepreises und Schadenersatz wegen vertaner Urlaubszeit. Hatten die Sandflohbisse sogar gesundheitliche Folgen, besteht außerdem Anspruch auf Schmerzensgeld, entschied das Landgericht Duisburg
Staubige Angelegenheit: Urlauber sollten künftig vorsichtshalber wohl einen Staubsauger einpacken. Denn Staubflusen im Hotelzimmer sind kein Reisemangel. Und auch, wenn die Bettwäsche nicht so oft gewechselt wird, wie der Reisende sich das wünscht, gibt es kein Geld zurück. So urteilte zumindest das Amtsgericht Baden-Baden. Nicht viel anders sieht es aus, wenn die Küche eines Ferienhauses verdreckt ist - kein Schadenersatz, entschied das Amtsgericht Münster. Zwar sei die Küche voller Fett und der Kühlschrank verschmutzt gewesen. Nicht so wild: Schließlich seien kochen und essen in der Küche nicht Anlass der Reise gewesen (Az.: 16 C 42/11 und 61 C 4000/08).
Besonderes Kunststück: Unappetitlich, aber kein Grund für eine Preisreduzierung. Wenn ein Hund regelmäßig sein Geschäft an Deck eines Kreuzfahrtschiffes verrichtet, gibt es für naserümpfende Touristen kein Geld zurück. So entschied das Amtsgericht Offenbach. In dem Fall ging es um das Tier eines Artisten: Hund und Herrchen traten während einer Asienkreuzfahrt im Showprogramm an Bord auf. Die Behörden erlaubten nach Darstellung der Reederei nicht, dass der Schnauzer das Schiff verließ. Entsprechend setzte er zweimal am Tag einen Haufen auf das Passagierdeck, der mit Wasser weggespült wurde (Az.: 340 C 29/08).
Auch Russen sind nette Leute: Selbst wenn 80 Prozent der Gäste eines Hotels Russen sind, ist das kein Reisemangel. Die logische Begründung des Landgerichts Düsseldorf: Mit Gästen anderer Nationalitäten müsse ein Reisender grundsätzlich rechnen - vor allem im Ausland. Die Beschwerde der Kläger, sie seien bei ihrem Urlaub in der Türkei ständig dem rüpelhaften, unmöglichen Benehmen zahlreicher russischer Gäste ausgesetzt gewesen, hatte vor Gericht keinen Bestand. Sowohl „rüpelhaft“ als auch „unmöglich“ seien subjektive Werturteile (Az.: 22 S 93/09).
Recht auf Packeis: Ich habe Packeis bestellt, also will ich auch Packeis! Und in der Tat - verspricht ein Reiseveranstalter für eine Kreuzfahrt durch das Polarmeer meterdickes Packeis, muss er das auch zeigen - Klimawandel hin oder her, urteilte das Oberlandesgericht Hamburg. Zur Not muss er wohl eine überdimensionale Gefriertruhe mit an Bord haben (Az.: 9 U 92/08).
Verfroren: Zu viel Eis ist dann aber auch wieder nicht gut. Teilnehmer einer Expeditions-Kreuzfahrt können Geld zurückverlangen, wenn ihr Schiff im Eis eingeklemmt war. Bei der Reise in der Nordwest-Passage war der Eisbrecher im Packeis festgefahren. 30 Prozent Reisepreisminderung sprach das Landgericht Hamburg dem Kläger zu (Az.: 310 O 26/07).
Besonderer Luxus: Wenn sich ein Zubringerflug zum Beginn einer Kreuzfahrt verspätet, dürfen Gäste nicht einfach einen Privatjet mieten. Zumindest können sie nicht erwarten, dass der Reiseveranstalter die Kosten dafür übernimmt. Schon gar nicht, wenn sie sich nicht einmal nach günstigeren Alternativen umgesehen haben, urteilte das Landgericht Köln (Az.: 15 O 365/07).
Nutzlose Schuhmode: Ein Reiseveranstalter muss Schadenersatz für Kindersandalen bezahlen, wenn diese extra für den Urlaub gekauft wurden, die Reise aber nicht zustande kam. Das entschied das Amtsgericht Hannover. Allerdings gibt es nur die Hälfte des Kaufpreises, da die Sandalen ja gebraucht weiterverkauft werden können. Kein Geld gibt es für einen Neopren-Shorty, da dieser auch im kommenden Jahr noch getragen werden könne (Az.: 514 C 17158/07).