Genüsse für Augen und Gaumen
Von Stammgästen, Hochzeitern und Singles an Bord der MS Deutschland.
"Wie viele Cocktails muss ich denn noch trinken, bis endlich die Musik spielt?" erkundigt sich die knapp 90-jährige Dame. Die bemerkenswerte Frau ist zierlich, elegant und absolut rüstig. Unter ihrem Strohhütchen schweifen hellwache Blicke über die Passagiere an Bord der MS Deutschland. Und am Abend dann tanzt sie wie eine Feder und trällert auch gern schon mal ein Liedchen mit. Nicht wenige der Enkelgeneration stellt die betagte Dame locker in den Schatten. Ihr Mann ist stiller Beobachter. Beide feiern sie ihre Rosenhochzeit an Bord: Vor zehn Jahren erst haben sie sich getraut.
Stammgäste auf dem "Traumschiff" sind die Kanzlers aus Köln. Im Jahr 2000 wäre es fast die letzte Reise ihres Lebens geworden - wenn sie diese denn angetreten hätten. Den Flug von Paris nach New York mit der Concorde, die nach dem Start abstürzte, hatten sie bereits gebucht. Von New York aus sollte die "Deutschland" in die Karibik auslaufen. Durch die Erkrankung eines nahen Angehörigen kam die Reise für sie schließlich nicht zustande - was dem Ehepaar das Leben rettete.
An Bord ist auch Herr Kaiser. Sein Beweggrund für die Reise ist nicht der Kaisersaal, obwohl hier anspruchsvolle Veranstaltungen wie Shows, Tanzabende und Konzerte geboten werden. Der Kreuzfahrer aus Solingen ist schon das achte Mal dabei und kann sich inzwischen mit einem Ehrenzeichen der Reeder schmücken. Dafür muss man mindestens 75 Nächte an Bord verbracht haben. Ihm hat es an Seetagen besonders die Bibliothek angetan. Kaiser: "Auch die Sauna fasziniert mich, weil sie so angelegt ist, dass ich beim Saunieren den Blick auf das offene Meer genießen kann". Manchmal verzichtet der freundliche Herr auf Ausflüge und Landgänge, um die Möglichkeiten der Abwechslung an Bord voll auszukosten. Mit einem Lächeln fügt er hinzu: "Man muss schon aufpassen, um nicht in Stress zu geraten."
Bei einer Veranstaltung allerdings ist Herr Kaiser nicht zu sehen: beim Single-Treff. Zehn weitere alleinreisende Herren sind ebenfalls nicht aufgetaucht. Wer weiß, warum? Dafür sitzen 28 Damen zwischen 45 und 70 Jahren im "Lili Marleen"-Salon und lauschen den Ausführungen der zwei "Gentlemen Host" Hans-Peter Grabow und Peter Nemela. Die von der Reederei engagierten Gesellschafter kümmern sich in dezenter Art und Weise um alleinreisende Damen. Tagsüber begleiten sie Ausflüge und achten auf das Wohlergehen aller Passagiere.
Wer die Schiffsreisenden befragt, warum es denn die "Deutschland" sein muss, erhält immer ähnliche Antworten: Gerühmt werden die Überschaubarkeit des Schiffs, dessen maximale Belegung für 520 Passagiere gedacht ist, Eleganz und Gediegenheit der Ausstattung, Freude an edlen Materialien, an Kunstwerken und Antiquitäten, die der Reeder Peter Deilmann zu seinen Lebzeiten gesammelt und auf seinem Schiff platziert hat.
Hochgelobt wird der hervorragende Service. Zu den Highlights zählt die Küche. Der Schweizer Chefkoch Patrick Walther ist 35 Jahre jung. Zu seinem internationalen Küchenteam gehören 50 Mitarbeiter.
Das Hauptgericht eines siebengängigen Gala-Menüs hört sich folgendermaßen an: "Maibock-Rücken in der Brotkruste an Wacholder-Jus auf Rhabarber-Pfeffer-Kompott, Pommes Berny und Rosenkohl-Flan an Lardoschaum". Natürlich für Auge und Gaumen ein Genuss, wenn auch die Phantasie heftig gefordert ist.Nicht selten dauert der Arbeitstag in der Küche 14 Stunden. Täglich werden 2500 Eier und bis zu 300 Kilo Fleisch verbraucht.
Täglich müssen rund 8000Teller gereinigt werden.Während hinter den Kulissen die 280 Besatzungsmitglieder arbeiten, dürfen sich die Passagiere entspannen und amüsieren. So erwacht das Leben besonders am Abend. Während im Kaisersaal getanzt wird, spielt ein Trio eingerahmt von einer hübschen Sängerin in der "Lili Marleen"-Bar.Raucher und Freunde eines frisch gezapften Biers treffen sich beim "Alten Fritz". Diese gastfreundliche Bleibe ist gemütlich und eher etwas rustikal im Ambiente. An warmen Sommertagen wird der Barbetrieb aufs Deck erweitert.
Oft wird der Künstler Jens Krüger von der Reederei engagiert. Wenn dieser Publikumsliebling und fabelhafte Entertainer am Piano sitzt, nehmen in dieser Bar viele Gäste ihren letzten Drink.Und es erklingt eine wehmütige Melodie: "Strangers in the night."