Malediven statt Mallorca: Veranstalter setzen auf Fernziele und Luxus
Berlin (dpa/tmn) - Die großen Reiseveranstalter bauen im Winter ihr Angebot an Fern- und Luxusreisen deutlich aus. Gleichzeitig bleibt die Nachfrage nach günstigen Reisen weiterhin hoch - die Schere zwischen billig und teuer geht beim Urlaub immer weiter auseinander.
Mit dem Eisbrecher in die Antarktis, mit dem Privatjet kreuz und quer durch Afrika oder zum Strandurlaub auf die Malediven: Luxus- und Fernreisen sind im Trend. Das sagen zumindest die großen deutschen Reiseveranstalter. Sie bauen ihr Angebot im kommenden Winter in diesen Bereichen deutlich aus.
Tui, die deutsche Nummer eins, ruft gleich ein „Jahrzehnt der Fernreise“ aus. „Die Welt ist kleiner geworden, die Deutschen reiseerfahrener“, erklärt Sprecherin Anja Braun. Die Nahziele seien mittlerweile bekannt, jetzt würden die Ziele exotischer. „Fernreisen boomen“, sagt auch Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Er sieht dafür vor allem wirtschaftliche Gründe: „2009 haben viele Deutsche wegen der Wirtschaftskrise eher Ziele in der Nähe gebucht und sind auf Nummer sicher gegangen. Jetzt gibt es einen Nachholeffekt bei Fernreisen.“
In den nun vorgestellten Tui-Winterkatalogen finden Urlauber das größte Fernreiseangebot aller Zeiten. In sieben Katalogen gibt es Angebote für 57 Länder. Auch die Konkurrenz von Thomas Cook und Neckermann verspricht „das umfangreichste Fernreisenprogramm aller Zeiten“. Jeweils fast 3000 Hotels bieten die beiden Veranstalter auf der Fernstrecke - rund 80 Prozent mehr als im vergangenen Winter.
Im Trend liegen vor allem zwei Regionen: die USA und Asien. Tui spricht in Nordamerika von einem Gästeplus von rund 60 Prozent im laufenden Touristikjahr. Entsprechend wird das Hotelkontingent deutlich ausgebaut: 370 neue Häuser wurden in den Katalog aufgenommen. Auch bei FTI zählen die Vereinigten Staaten zu den Gewinnerregionen. Dertour kommt immerhin auf ein Buchungsplus von 5 Prozent. 31 neue Hotels kommen bei dem Bausteinveranstalter der Rewe-Gruppe dazu.
In Asien sind es vor allem die Sonnenziele, die stark wachsen. Thailand kommt bei Tui trotz Flutkatastrophe auf ein Gästeplus von 45 Prozent. Doch auch die Seychellen, die Malediven oder Sri Lanka stehen bei fast allen Anbietern hoch im Kurs.
Geht der Trend zur Fernstrecke nun zulasten der Kurz- und Mittelstrecke? Dertour spürt diesen Effekt. Die sonst sehr beliebten Regionen in Deutschland wie Nord- und Ostsee würden in diesem Sommer zurückhaltend gebucht. Dazu hat aber wohl vor allem das bislang eher mäßige Wetter beigetragen. Auch DRV-Sprecher Schäfer glaubt an eine wetterbedingte Ausnahmeerscheinung: „Der Trend zur Fernreise geht nicht zulasten anderer Urlaubsregionen, Fernreisen kommen meist noch obendrauf. Die Deutschen verreisen einfach häufiger als früher.“
Bezogen auf den gesamten Reisemarkt sind Fernreisen nach wie vor ein kleines Segment. Laut dem Tourismusforscher Martin Lohmann vom Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa machen Fernreisen seit vielen Jahren unverändert 6 bis 7 Prozent des Gesamtmarktes aus. Er meldet deshalb leise Zweifel an, ob Fernreisen wirklich zulegen werden: „Wenn es sich bei Fernreisen um einen Trend handelt, müsste es ein sehr neuer Trend sein“, sagt der Co-Autor der jährlichen Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. „Bislang hat er sich jedenfalls noch nicht in Zahlen niedergeschlagen.“
„Die Zuwächse in absoluten Zahlen sind gering“, räumt Schäfer ein. Doch für die Reiseveranstalter seien die Fernstrecken besonders profitabel, kosten sie doch deutlich mehr. Eine zusätzliche Fernreise bringe einen Umsatzzuwachs wie mehrere zusätzliche Reisen zum Beispiel nach Spanien. „Wirtschaftlich ist das Fernreisegeschäft deshalb sehr interessant, auch wenn die Menge deutlich geringer ist“, erklärt Peter Fankhauser, Vorstandsvorsitzender der Thomas Cook AG.
Ein noch kleineres Segment sind Luxusreisen. Auch sie boomen, melden die großen Reiseveranstalter unisono. Die Tui liegt mit seiner Luxusmarke Airtours in diesem Jahr beim Umsatz 30 Prozent über Vorjahr, bei Dertour deluxe sind es 20 Prozent. Tui bringt mit Michael Poliza Experiences gleich eine neue Marke an den Start. Dertour vergrößert sein Angebot um rund 60 neue Luxushotels. Selbst klassische Sonne-Strand-Veranstalter wie Thomas Cook und Neckermann setzen auf gehobenen Urlaub. Um 40 Prozent werde man das Angebot in diesem Segment ausbauen, teilte Fankhauser mit. Erstmals gibt es zwei Selection-Kataloge mit zusammen 389 Hotels. Neue Zielgebiete sind zum Beispiel Jordanien, Sansibar, Vietnam und Tansania.
Doch was ist überhaupt Luxusurlaub? „Das lässt sich eigentlich nicht richtig definieren“, erklärt Lohmann. Der eine versteht darunter eine exklusive Reise an entlegene Ziele der Welt, der andere einen Aufenthalt im Fünf-Sterne-Hotel mit Butler und Chauffeur.
So haben auch die Veranstalter mit ihren Luxusreisen unterschiedliche Zielgruppen im Blick. Während Thomas Cook die Mittelschicht ansprechen will, sind die Angebote von Dertour deluxe oder Tui wirklich etwas für den großen Geldbeutel. So beginnt die billigste Poliza-Reise bei 12 000 Euro. Eine zehntägige Flugsafari bei Dertour in Kenia kostet mindestens 5870 Euro.
Auch DRV-Sprecher Schäfer tut sich mit einer genauen Definition von Luxusreisen schwer. Er spricht deshalb davon, dass die Nachfrage nach höherpreisigen Angeboten zunimmt. „Die Urlauber geben seit drei oder vier Jahren immer mehr Geld für den Urlaub aus und erwarten dafür entsprechenden Service und entsprechende Leistung.“
Das Brotgeschäft der Reiseveranstalter bleibt trotz aller Fern- und Luxusreisepläne der klassische Sonne-Strand-Urlaub. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die Ziele rund um das Mittelmeer in diesem Sommer - mit Ausnahme von Griechenland - zulegen.
„Es gibt eine Polarisierung bei der Nachfrage“, hat Fankhauser beobachtet: einmal in Richtung Budgetkäufer, und dann in Richtung Luxusreisen. „Die Schere zwischen billig und teuer geht beim Urlaub deutlich auseinander“, ergänzt Schäfer.