Namibia: Wüste und Einsamkeit als Passion
Weite, endlos. Hitze, flirrend. Wen das Wüstenfieber packt, will nie wieder weg.
Die Staubwolke hinter dem Geländewagen zieht eine weiße Spur durch die Landschaft, minutenlang hängt sie in der vor Hitze flimmernden Luft. Schotter und Sand wechseln sich unter den Reifen ab, rechts und links der Piste nichts als Wüste.
Mal grau, mal rötlich, mal ist die Oberfläche des Bodens verkrustet von Salz und Wind, dann wieder dehnt sich hellgelbes, weiches Gras über die Ebene aus. Wer durch den Westen Namibias fährt, ist oft stundenlang allein. Mit sich und einer Weite, die eine flirrende Verbindung mit dem Horizont eingeht.
"Die Einsamkeit muss man lieben. Diese absolute Stille ringsum lässt das Blut in den Ohren rauschen", sagt Beate Schindler. Sie sitzt auf dem sandigen Boden - mitten in der Wüste. Legt ihre Hand auf den warmen, verkrusteten Boden. Eine Tour durch die Namib kann endlos werden, wie das Gelände selbst.
Wer die Wüste wirklich entdecken will, muss sich Zeit nehmen. Sucht sich immer wieder einen anderen Ort, an dem er sich einfach auf den warmen, harten Boden setzt - und in die Weite blickt. "Ich bin vor mehr als 25 Jahren in meinem Urlaub hier hängen geblieben. Ich fühlte einfach, dass ich in Namibia leben will", erinnert sich die 49-Jährige und blickt in die Ferne irgendwo zwischen Swakopmund und Walvis Bay im Niemandsland am Nordzipfel des Namib-Naukluft-Parks.
Diese beige-graue Landschaft erstreckt sich scheinbar endlos in alle Richtungen. Hier wachsen nur an wenigen Stellen noch gelbe Grasbüschelchen, die so trocken sind, dass sie knacken, wenn man darauf tritt. Termiten graben unterirdische Gänge, selbst ihnen scheint die Wüste kein herausragendes Bauwerk wert zu sein.
Noch bietet Namibia viele solcher Regionen. Sperrgebiete, für die man Genehmigungen braucht und in denen man garantiert niemandem sonst begegnet. "Manchmal verbringe ich mehrere Tage hier, übernachte einfach mit dem Schlafsack unter dem Sternenhimmel", schwärmt Beate. Gelassenheit und Naturvertrauen sind zwei der wichtigsten Dinge, die sich Beate in Namibia angeeignet hat.
Vor einem Jahr hat sie ihr eigenes Reiseunternehmen "Time Out Ladies Travel" in Namibia gegründet und bietet Touren nur für Frauen an. "Allein reisende Frauen trauen sich oft nicht nach Afrika, schon gar nicht auf einen Abenteuertrip", weiß Beate. Diese Lücke füllt sie, indem sie ihre Kundinnen in die Wüste schickt.
"Nur mit Zelten und Verpflegung gehen wir einige Tage raus, immer in Gebiete, zu denen man eine Genehmigung braucht", beschreibt Beate. Toilette und Dusche: Fehlanzeige! "Am Anfang achten die meisten noch auf Frisur und Kleidung, aber spätestens am dritten Tag trägt keine mehr Make-up", sagt sie lachend. "Und dann fühlen sie sich erst richtig befreit. Vor allem, weil kein Mann dabei ist."
Auch Ingrid Wiesel lebt seit etwa 15 Jahren in Namibia. Die 39-jährige promovierte Biologin ist schon während des Studiums von Hamburg nach Lüderitz im Südwesten Namibias umgesiedelt. "Zuerst waren es nur Projektarbeiten, dann habe ich irgendwann gemerkt, dass ich bleiben will", erinnert sie sich. Ihr langes braunes Haar weht im Wind, die Atlantikküste ist stürmisch. Hier im Süden bewegen sich die Sandmassen vom Sturm gepeitscht in immer neue Richtungen und zu ständig neuen Formen.
Ingrid sitzt im Sand, der undefinierbar hellgrau und beige gefärbt ist. Felsige Berge ragen zwischen den Dünen auf, Wellen schäumen kalt an den Strand - hier lädt nichts zum Baden ein. "Ich muss da oft rein", ruft Ingrid mit einem Kopfnicken Richtung Atlantik und lacht. "Das härtet ab!"
Wenn die Biologin ihren Beobachtungsposten mitten im Diamantensperrgebiet bei Lüderitz bezieht, lebt sie für Wochen oder Monate in der Wüste. In einem Zelt mit Hightech-Equipment für ihre Arbeit, aber mit minimalem Komfort für sich selbst. Sie hat sich dem Schutz und der Erforschung Brauner Hyänen verschrieben, widmet ihnen beinahe ihr ganzes Leben.
Zusammen mit einem Tierarzt, der die Tiere betäubt, denen sie dann gemeinsam GPS-Sender per Halsband anlegen, beobachtet Ingrid die Tiere während der Nacht. Tagsüber wertet sie Daten aus, schläft ein paar Stunden, isst aus Konservendosen. "Manchmal kochen wir auch Nudeln. Dazu nehmen wir Meerwasser, das ist dann wenigstens schon gesalzen."
Ihre braunen Augen strahlen, wenn sie von ihren Feldstudien erzählt. "Am Anfang fand ich die Hyänen gar nicht so toll, aber in den ganzen Jahren sind sie mir echt ans Herz gewachsen. Und sehen eigentlich auch niedlich aus", beschreibt sie die wuscheligen Felltiere mit dem leicht abfallenden Hinterteil.
Überall im Gelände sind Kamerafallen errichtet, die mithilfe einer Lichtschranke auslösen, wenn Hyänen vorbeilaufen. Ingrid kennt sie alle - vor allem ihre Nasen. "Ich hab tausende Nasenfotos!", stöhnt sie. "Hyänen sind so neugierig, dass sie sogar in die Kameras ständig ihre Nasen reinstecken."
Wo Ingrid beinahe die Hälfte des Jahres verbringt, gibt es weder Handynetz noch Strom. "Ich glaube, die Wüste macht was mit den Menschen", klingt die Wissenschaftlerin beinahe spirituell.
Denn auch sie hat noch nie Angst gehabt, nachts allein im Schlafsack unter 1000 Sternen.