Panama Oh, wie nass ist Panama!

Wasser marsch statt Narrhalla-Marsch: Der Karneval ist eine feuchtfröhliche Angelegenheit. Statt Kamelle regnet es Wasserfontänen. Bei tropischer Hitze eine willkommene Abkühlung.

Foto: Martin Cyris

Wenn Carlos aufdreht, bleibt kein Auge trocken. Keine Bluse und keine Frisur. Carlos, ein bulliger Typ mit kurzen schwarzen Haaren, dreht den Hahn an seiner Leitung auf. Mit der linken Hand hat er einen Schlauch fest im Griff. Er steht auf einem Tanklaster, randvoll gefüllt mit Wasser. Keine Zehntelsekunde später schießt eine regenrohrdicke, meterlange Fontäne heraus und ergießt sich über eine Menschenmenge. Die Masse johlt und feixt. Aufgeheizt von Tänzerinnen im knappen Fummel und angeheizt von hämmernden Latin-Rhythmen. Pop-Sängerin Shakira schmettert aus den Boxen: „loca, loca, loca“.

Närrisch — das ist auch eine spezielle Tradition des Karnevals in Panama: Das Bewässern der Besucher. Wer Handzeichen gibt wird besonders lange besprüht. Dann halten Carlos und seine zwei Kollegen — jeder auf seinem eigenen Tanklaster stehend — extra feste drauf. Wenige Sekunden später sind wieder Dutzende Karnevalsbesucher nass bis auf die Haut. Sie schütteln sich kurz, reiben sich die Augen und tanzen dann einfach weiter. Make-up und Föhnfrisuren haben keine Chance. Carlos ist ein sogenannter Nassmacher. Und das Gießkannenprinzip eine Besonderheit im historischen Karneval von Panama. Hier regnet es keine Kamellen, sondern Wasserfontänen. Statt Narrhalla-Marsch heißt es Wasser marsch!

Das Bespritzen der Besucher nennt sich culeco. Neben Faschingsumzügen und Musikkonzerten sind die culecos während des Karnevals eigene, für sich stehende Events. In manchen Karnevalshochburgen werden spezielle Flächen für die Wasserspiele ausgewiesen. In Panama-Stadt gleich mehrere. Auf einem Innenhof an der Cinta Costera, dem kilometerlangen Uferboulevard der Hauptstadt, parken mehrere Tanklaster, randvoll mit Wasser gefüllt. Stundenlang lassen sie es fast ununterbrochen regnen.

Genau weiß keiner, wann erstmals Besucher eingeweicht wurden. Ursprünglich ging es den Nassmachern vermutlich weniger um den Schabernack, als eher um die Abkühlung der Menschenmassen. Faschingszeit in Mittelamerika ist nicht nur die fünfte, sondern auch eine heiße Jahreszeit. Trocken betrachtet ist der Februar zwar der kälteste Monat, doch die durchschnittliche Temperatur in Panama-Stadt beträgt trotzdem weit über 20 Grad Celsius.

Auch im Februar brennt die Mittagssonne unerbittlich vom Himmel. Womöglich sollen die culecos auch so manches überhitzte Mütchen kühlen. Denn ähnlich wie bei den berühmten Feierlichkeiten von Rio, Trinidad oder New Orleans ist die Stimmung in Panama fast permanent auf dem Siedepunkt. Ein kleines Land in großer Ekstase. Ob an der Küstenpromenade von Panama-Stadt oder in kleinen Dörfern im hügeligen Hinterland, es gibt mehrere Karnevalshochburgen.

Landesweit bekannt sind auch die Festivitäten in Penonomé und Las Tablas. Dort finden natürlich ebenfalls culecos statt. Zum Karneval ist die Provinzhauptstadt Las Tablas in zwei Teile gespalten: Die Calle Arriba und die Calle Abajo. Obere gegen untere Straße. Beide Lager rüsten enorm auf, um sich gegenseitig zu übertrumpfen. Durch Straßenschmuck und Feuerwerksalven. Und natürlich durch die nassesten culecos. Es gewinnt, wer seine Besucher nasser als nass macht. Im vergangenen Jahr zählte das Tourismusministerium wenige Zehntausend ausländische Besucher. Aber die feuchten culecos sind für die Marketingstrategen ein willkommenes Alleinstellungsmerkmal, das noch viel Potenzial nach oben hat — weil es solcherlei Wasserspiele zum Karneval nirgendwo sonst gibt. Eine Trumpfkarte im Ringen um Touristenzahlen.

Der Straßenumzug in Panama-Stadt soll deshalb jedes Jahr noch länger und größer ausfallen. Bis zum Faschingsdienstag wird das Land mit dem berühmten Kanal im Ausnahmezustand sein. Bis weit nach Mitternacht wird an der Cinta Costera in Panama-Stadt und den anderen Karnevalshochburgen wie Penonomé und Las Tablas täglich getanzt und getrunken. Und wer spät in der Nacht den Kanal immer noch nicht voll hat, der tanzt einfach weiter. In einem der vielen Clubs oder Tanzlokale. Dort gibt’s zwar keine culecos, dafür reichlich Seco. Trocken, und dabei doch so flüssig. Der Autor reiste mit Unterstützung von Autoridad de Turismo de Panamá.