Rollender Luxus: Mit dem Rovos Rail von Kapstadt nach Pretoria

Kapstadt (dpa/tmn) - Knapp zwei Stunden braucht das Flugzeug für die Strecke von Kapstadt nach Pretoria, 19 Stunden sind es mit dem Überlandbus. Noch länger dauert die Fahrt mit dem Rovos Rail: zwei Tage.

Doch keine andere Reiseform ist so komfortabel und stilvoll.

Der Bademantel? Gekauft! Die Duschmatte? Klar! Die Badutensilien? Nützlich! Doch was bitte soll die Taucherbrille im Badezimmerschränkchen? Cathren gibt Auskunft: „Damit Sie beim Duschen keine roten Augen bekommen.“ Respekt: An was die alles denken. „Nein, nein, Spaß beseite: Die Brille ist dafür da, damit Ihnen nichts ins Auge fliegt, wenn Sie aus dem Zugfenster schauen“, schiebt die freundliche Stewardess im Rovos Rail nach. Bei einer Zugreise gelten eben etwas andere Gesetze. Noch dazu bei einer Fahrt mit dem „luxuriösesten Zug der Welt“ von Kapstadt nach Pretoria.

Mit diesem Slogan wirbt Unternehmensgründer Rohan Vos, der 1989 mit einem ersten Zug anfing und mittlerweile durch ganz Afrika tourt. Als „fahrendes Museum“ bezeichnet Zugchefin Daphne die zwölf Wagen - „machen Sie also keinen Rock'n'Roll im Abteil“. Handys sind in den öffentlichen Bereichen des Zugs verboten. Fernseher und Radio sucht man vergebens. Nichts soll von der Landschaft und vor allem nicht vom Zug ablenken.

Um Punkt 11.00 Uhr: Dreimal Pfeifen und der Rovos Rail setzt sich in Bewegung. Die ersten Kilometer sind unspektakulär, führen durch die Außenbezirke von Kapstadt. Da kommt das Xylofon-Klingeln von Daphne gerade rechtzeitig. Dieses Signal ertönt künftig regelmäßig zweimal am Tag und ruft zum Essen in den Speisewagen. Der hat so gar nichts von Deutsche-Bahn-Bistro-Flair: Schwere Vorhänge an den Fenstern, viel Plüsch, Lederstühle, Kellner in Frack und mit Fliege.

Draußen geht es langsam in die Winelands hinein, später schraubt sich der Zug bis auf 1800 Meter in die Höhe. Das alles mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern. Viel mehr gibt das Schienennetz an manchen Stellen nicht her, doch viel mehr ist auch gar nicht gewollt - Langsamfahren als Luxus.

Wie aus dem Nichts taucht am frühen Abend Matjiesfontein in der Savanne auf. Ein paar Häuser, zwei Museen, eine historische Tankstelle und ein paar Meter asphaltierte Straße - der Ort ist überschaubar. Wenn der Zug hält, gibt es mehr Touristen als Einheimische.

Touristenführer John weiß viele weitere Geschichten über den Ort zu erzählen. Am liebsten tut er dies in dem alten roten Doppeldeckerbus, der vor dem Bahnhof wartet und die Zugreisenden auf eine Sightseeingtour durch den Ort mitnimmt - „die kürzeste Sightseeingtour in ganz Afrika“, wie John mit einem Augenzwinkern meint. Ein kurzes Blasen der Trompete - „It's Showtime“, röhrt er mit seiner rauchigen Stimme ins Mikrofon, und der Bus knattert mit fünf Stundenkilometern los. „Wir biegen nach links, weil wir nicht nach rechts abbiegen können“, erklärt er. Die Fahrgäste lachen.

Im Zug hat in der Zwischenzeit Cathren das Zimmer für die Nacht hergerichtet. Sogar die Heizdecke ist eingeschaltet. „Bitte vor dem Einschlafen wieder ausschalten“, warnt die Hostess, „wir wollen keine gegrillten Fahrgäste.“

„Sind erfrorene besser“?, schießt es einem am Morgen als erstes in den Kopf. Der südafrikanische Winter hat in der Nacht ganze Arbeit geleistet. Die Temperaturen sind unter den Gefrierpunkt gefallen, Pfützen in der Savanne sind gefroren, eine dicke Raureifschicht liegt über der Landschaft. Durch die Fenster und die Tür ist die Kälte auch ins Abteil gekrochen. Ein warmer Tee im Panorama-Wagen macht munter. Draußen geht die Sonne auf und taucht die Landschaft in ein ganz besonderes Licht: Kaum irgendwo auf der Welt strahlen die Farben so intensiv, ein wahres Farbfeuerwerk für die Augen.

Langsam lernt man seine Mitreisenden kennen - gerade einmal 31 sind es - und kommt ins Gespräch: Da ist das schwule Pärchen, das es nach eigenen Angaben schon seit 20 Jahren zusammen aushält. „Nein, seit 19 Jahren.“ - „Oh, du hast Recht, Darling“. Da ist der ältere Herr, der immer mit drei Damen zum Essen erscheint. Gemeinsam werden schon beim Mittagessen zwei Flaschen Champagner geleert. Da ist die herausgeputzte Dame, Hotelbesitzerin aus Johannesburg, ein Ehepaar aus der Schweiz.

Rechtzeitig zum zweiten Stopp der Reise wird es im Zug so warm, dass die Heizung auf Klimaanlage umgestellt wird. Die Sonne scheint umbarmherzig auch im südafrikanischen Winter. Für die Bustour in Kimberley tragen die Gäste Sonnenmilch auf, beim Aussteigen verteilt die Zugbesatzung eisgekühltes Wasser.

Die Hauptsehenswürdigkeiten von Kimberley sind ganz riesig und ganz klein - und beide hängen direkt zusammen. Denn Kimberley ist die Diamantenstadt Südafrikas. In unzähligen Läden werden sie zum Verkauf angeboten und an einigen Stellen auch noch abgebaut. Nicht mehr jedoch am Big Hole - dem größten von Menschenhand geschaffenen Loch im Boden. Von einer Aussichtsplattform dürfen Besucher einen Blick in die Tiefe wagen. Direkt nebenan ist ein Museum entstanden, in dem es Einblicke in den Diamantenabbau gibt, aber auch die größte Diamantensammlung der Welt.

Am nächsten Morgen rattert der Zug durch die Vororte von Johannesburg und Pretoria. Außer Fabrikhallen, Gewerbegebieten und Häusern gibt es jetzt kaum noch etwas zu sehen. So ist es für die Gäste eine willkommene Abwechslung, dass kurz vor dem Bahnhof in Capital Park eine Dampflok vor den Zug gespannt wird.

Als das Ende der Reise in Sicht kommt, heißt es zusammenzupacken. Zum Schluss landet die Taucherbrille wieder im Schrank. In Sachen Pünktlichkeit könnte sich die Deutsche Bahn noch eine Scheibe vom Rovos Rail abschneiden. Auf die Minute um 11.00 Uhr ist der Capital Park erreicht. Doch gegen eine Verspätung hätten alle Reisenden wohl ausnahmsweise nichts gehabt.