Teneriffa: Die Magie des Teide und der Hibiskusblüten
Blumen auf den Stufen des Hotels, ein verwunschener Patio und irgendwo plätschert ein Brunnen: Puerto de la Cruz lockt mit beschaulichen Ecken.
Düsseldorf. Leuchtend rotes Kleid, weißes Kopftuch und Strohhut — so kniet die 72-jährige Dame jeden Morgen vor der ältesten Herberge von Puerto de la Cruz, ihrem Hotel „Monopol“.
Ein bisschen Spanisch wollte die in Bremen geborene und in Hamburg aufgewachsene Frau lernen, als sie vor 50 Jahren in den Norden von Teneriffa kam. Doch dann verliebte sie sich, blieb auf der Insel und begann irgendwann, sich täglich in Tracht zu kleiden, um die Stufen zum Monopol mit Hibiskusblüten zu schmücken. „Ich heiße jeden, der nach Puerto kommt, auf diese Weise herzlich willkommen“, erklärt Renate Beckmann, während sie sorgsam ein Bouquet aus den spanischen Farben Gelb, Rot, Gelb drapiert.
Fremdsprachensekretärin hatte sie eigentlich werden wollen, war nach dem Realschulabschluss ein Jahr lang zu Verwandten nach England gegangen, um ihr Cambridge-Examen zu absolvieren und hat anschließend auch noch die Sorbonne in Paris besucht, um Französisch zu lernen. Dann war Spanisch an der Reihe. Wenn sie an jenen Februartag denkt, an dem sie zum ersten Mal auf den Stufen des „Monopol“ gestanden hat, dann bekommt ihr Lächeln etwas Mädchenhaftes.
Gerardo Greizner, dessen bayerische Eltern das Hotel 1928 von Engländern gekauft hatten, begrüßte die Señorita damals noch als Gast. Verschmitzt versichert sie: „Er war natürlich sehr entgegenkommend.“
Schon im Mai nahm der Hotelierssohn die junge Frau aus Deutschland mit auf den Vulkan Teide, um sich in 3700 Metern Höhe mit ihr zu verloben. Noch im gleichen Jahr war die Hochzeit, unmittelbar danach ließ sich die Braut von ihrer Schwiegermutter in das Alltagsgeschäft im „Monopol“ einführen.
Fast 270 Jahre alt ist das hellgelbe, mittlerweile vierstöckige Gebäude mit den typisch kanarischen Holzbalkonen. Einst diente es als „Haus des Tanzes und des Theaters“, bevor es 1888 zum Hotel wurde. Damals kamen die ersten Pauschaltouristen noch auf Bananendampfern der britischen Yeoward Line nach Teneriffa, um jenes Klima zu genießen, das nie wirkliche Kälte und selten große Hitze mit sich bringt.
Heute spazieren Urlauber aus ganz Europa durch den Patio, den verwunschenen Innenhof des Hotels. Sie lassen sich zwischen üppig wuchernden exotischen Pflanzen in Korbsesseln nieder, trinken Kaffee, lesen Zeitung, im Hintergrund plätschert leise ein Springbrunnen. Zwischen alten Fotos hängt an der Wand eine kleine Plakette.
Der Tourismusverein dankt darauf „unserem rüstigen Gast Herrn Fritz Alfred Käch für die Puerto de la Cruz erwiesene Zuneigung und Liebe“. Renate Beckmann erzählt: „Das war ein Schweizer Botaniker, der schritt noch mit 105 Jahren bei uns durch die Hotelhalle.“
Etwa 40 Prozent der Gäste sind Stammgäste. Viele sind schon etwas älter, viele kommen mehrmals im Jahr. So wie der 68-jährige Wilhelm Marly aus Wien. Er versichert: „Hier kenne ich mittlerweile das gesamte Personal, das nicht so schnell wechselt wie in anderen Häusern.“ Mit einem Schmunzeln deutet der Österreicher auf drei in schwere Rahmen gefasste Tafeln im Patio: In langen Listen sind darauf die Namen jener verzeichnet, die schon seit 15, 25 oder 30 Jahren im „Monopol“ beschäftigt sind. Kellner, Portier, Zimmermädchen — wer hier arbeitet, bleibt nicht nur für eine Saison.
Insgesamt zieht es nur wenige Reisenden in diesen Teil der Insel. Im Süden scheint häufiger die Sonne, es gibt geschützte Strände und unmittelbar daneben riesige Bettenburgen. Auf der Wetterseite im Norden dagegen wütet der Atlantik, schleudert schäumende Wassermassen Richtung Küste, so dass man an windigen Tagen selbst auf der Promenade von Puerto auf der Hut sein sollte.
Auf dem Kirchplatz gegenüber dem „Monopol“ indessen geht das Leben einen beschaulichen Gang. Rund um einen wasserspeienden Schwan sind Blumenbeete angelegt und Bänke aufgestellt, die zum Verweilen unter Palmen laden. Juanito, der kleine Vogel vom Gemüsehändler, zwitschert, als wolle er Bananen, Kürbisse und leckere kleine Runzelkartoffeln anpreisen, die in den Holzkisten unter seinem Käfig ausliegen.
Jede Viertelstunde schlägt die Kirchturmuhr. Wenn Renate Beckmann im Hoteleingang kniet, um die Blüten auszulegen, bleiben oft Passanten stehen. Die Señora lächelt routiniert in deren Kameras. Seit 20 Jahren tut sie das — auch wenn sie die Blüten der 300 Hibiskussträucher in ihrem Garten mittlerweile von ihrer Näherin pflücken lässt. Sie hofft, dass ihr Sohn, der 1998 die Leitung des „Monopol“ übernommen hat, auch diese Tradition weiterführen wird.
Immerhin: Geheiratet hat er bereits genau wie sie, oben auf dem mächtigen Teide.