Wenn Wasserspritzer Punkte kosten
Ein Haar im Bett? Davor ekeln sich alle Gäste. Um das zu verhindern, gibt es knallharte Überprüfungen. Wir waren in einem Best Western-Haus hautnah dabei.
Köln. Perfekt glatte Laken, Bonbons auf den Kissen, strahlend weiße Bettwäsche — alles, wie es sein soll. Dann schlägt Christoph Schug die Bettdecke zurück und erstarrt: Die St. Pauli-Nachrichten liegen am Fußende. Mit ihm erstarrt auch die verantwortliche Hausdame, der Hoteldirektor atmet schwer. Die Frage, wie in einem frisch bezogenen Bett nach dem Check-out der Gäste das Magazin dort hatte übersehen werden können, muss niemand mehr stellen. „Das ist der Super-Gau fürs Housekeeping“, sagt Schug, Direktor Qualitätssicherung und Hotelentwicklung bei Best Western. Was kurze Zeit später als Anekdote in Prüferkreisen erzählt wird, ist in dem Moment bitterer Ernst. Und gibt gehörigen Punkteabzug laut Kontrollliste.
Einmal pro Jahr wird jedes Best Western-Hotel auf seine Qualitätsstandards überprüft. 1000 Punkte erzielt ein Top-Hotel ohne jegliche Mängel. „Utopisch“, weiß Schug. Denn bei der Überprüfung sämtlicher öffentlicher Bereiche von Toiletten über Lobby, Seminarräume, Restaurants und Flure, Beschilderung, Parkgarage und Außenbeleuchtung bis hin zu einzelnen Zimmern findet sich immer irgendwo ein kleiner Kratzer oder ein Loch in einer Gardine.
Von der Sonne ausgebleichte Teppiche vor Balkontüren kosten ebenso Punkte wie staubdunkle Flecken über den Glühbirnen der Wandbeleuchtung. „Punkte läppern sich schnell zusammen“, belegt Schug anhand der Checkliste, immerhin ein dickes Buch aus 165 DIN A 4-Seiten.
Kratzer auf Schranktüren unter dem Frühstücksbuffet kosten zwischen fünf und 20 Punkten, ein schwarzer Staubrand an der Lüftung in der Damentoilette fünf, ebenso schmutzige Fingerabdrücke an Deckenklappen.
„Wir hören oft, dass erst am Vortag der Techniker etwas repariert habe“, erzählt Schug. Ob er es glaubt oder nicht, spielt keine Rolle: Die Prüfung ist eine Momentaufnahme. Im Vorgespräch teilt der Hoteldirektor mit, welche Arbeitsprozesse derzeit in Gang sind. „Darüber hinaus lassen wir nichts gelten“, so der Qualitätsprüfer.
„Einmal standen wir uns Nase an Nase gegenüber. Einen Tag vor dem Check hatten wir den Seminarraum streichen lassen, spät abends kam ein Referent und stellte sein Equipment rein. Dabei verkratzte er eine Wand und am nächsten Morgen gab’s satten Punktabzug dafür“, erinnert sich Gerhard Kugler, Hoteldirektor des Best Western Premier Hotels Park Consul in Köln. Er ist sichtlich angespannt, denn heute steht der Test seines Hauses an.
Christoph Schug sucht zehn beliebige, bereits für neue Gäste gereinigte Zimmer aus, die er nacheinander inspiziert mit dem gründlichen Rundumblick jahrelanger Erfahrung. „Das hat nichts damit zu tun, was im Fernsehen gezeigt wird. Wir suchen nicht nach Staub hinter Schränken“, erklärt er. Vielmehr gehe es darum, den Raum wie ein Gast zu betrachten. Nur etwas genauer.
Zuerst das Bad. Auf dem Spiegel sind Wasserspritzer. „Dafür hat die verantwortliche Dame des Housekeepings immer einen Lappen dabei. Solche Kleinigkeiten darf sie wegwischen“, sagt der Prüfer. Ansonsten glänzen Waschbecken, Armaturen, Handtuchhalter und Zahnputzbecher tadellos.
880 Punkte muss ein Premier Hotel mindestens erreichen, um seinen Status zu behalten. Christoph Schug hat eine spezielle Technik, die Bettdecken umzuschlagen, um Laken und Bezüge zu kontrollieren. Ist er fertig, sieht alles wieder so aus, als wäre es frisch vom Zimmermädchen hergerichtet.
Im vierten Zimmer hat er „Erfolg“: Ein Haar liegt auf dem Bett. 18 Punkte Abzug. Auch Vorhänge, Fenster und Bänke, Teppiche und Schreibtische inspiziert er. Sucht nach Löchern in Gardinen und in Polsterbezügen, nach abgelaufenen Getränken in der Minibar. Ob der Föhn funktioniert und nicht verstaubt, das von Best Western vorgeschriebene Sortiment an Handtüchern und Bademänteln vorhanden ist.
In den zehn Jahren seiner Tätigkeit hat Schug schon so einiges erlebt. Eine hypernervöse Hausdame, die vor Aufregung fast ohnmächtig wurde. Einen Hoteldirektor, der einen cholerischen Anfall bekam. „Am Anfang gibt es viele Machtspielchen. Hoteliers stellen neue Prüfer auf die Probe“, erinnert sich Schug an eins seiner ersten Häuser. „Ich kam hin und an allen 50 Türen hing das ,Bitte nicht stören-Schild’. Davon darf man sich natürlich nicht beeindrucken lassen.“ Letztendlich sitzt der Prüfer am längeren Hebel. Einen guten Mittelweg zu finden ist die Herausforderung. Diskussionen zwischen Direktoren und Testern sind an der Tagesordnung.
Dennoch sieht Schug seine Arbeit eher als konstruktives Miteinander: „Wir machen Verbesserungsvorschläge und arbeiten eng mit dem Management zusammen. Das Haus soll sich weiter entwickeln.“ In den meisten Fällen klappt das auch. So sollten Saunaregeln nicht einfach als Zettel an die Wand geheftet sein, Tapeten sich nicht durch Feuchtigkeit ablösen. Blumenkästen auf Dachterrassen müssen frei von Gestrüpp sein, an Vorhängen dürfen keine Aufhäng-Röllchen fehlen. Fingerspitzengefühl ist gefordert, den Hotelier zu bestärken, eigene Ideen zur Verbesserung zu entwickeln.
Die neuen Teppiche auf allen Fluren, die geplanten Umbauten im Wellnessbereich und die schmackhafte Optik des Mittagsbuffets des Kölner Hotels hinterlassen einen guten Eindruck. Diesmal gibt es auch keine Kratzer im Konferenzraum — das Park Consul hat mit nur minimalen Punktabzügen den Check tadellos bestanden.
„Wir geben mit unserem Markennamen ein Qualitätsversprechen, auf das sich jeder Gast weltweit verlassen kann“, sagt Anke Cimbal, Direktorin Kommunikation Best Western. Und deswegen müssen 4000 Hotels weltweit den hohen Standard haben.