Wie Tiefschneeträume wahr werden
Kaprun (dpa/tmn) - Weg von der Piste und rein ins Gelände: „Freeriden“ ist derzeit ein großer Trend in den Bergen. Das Tiefschneefahren ist keine Zauberei, es will aber erst gelernt sein. Dafür gibt es spezielle Kursangebote.
Wenn der Pulverschnee staubt und aufgewirbelte Schneekristalle im Sonnenlicht funkeln, ist Ernst Garhammer nicht mehr zu bändigen. Mit nahezu tänzerischer Leichtigkeit zieht der 59-Jährige dann seine Spuren in die Hänge. Das Tiefschneefahren ist sein Lebenselixier, es anderen beizubringen, seine Leidenschaft. Vor gut 25 Jahren gewann Garhammer seinen letzten Ski-Freestyle-Weltcup - seitdem widmet er sich Winter für Winter den „Powder-Novizen“.
Mit diesem Angebot ist Garhammer in den Alpen nicht allein. Auch Skischulen in bekannten Tiefschneerevieren wie am Arlberg in Österreich haben solche Kurse im Programm. Und auch Tatjana Mittermayer, Ex-Weltmeisterin im Freestyle, gehört zu den Anbietern. In den Skicamps, die sie in Zusammenarbeit mit Freestyle-Bundestrainer Enno Thomas veranstaltet, legt Mittermayer allerdings mehr Augenmerk auf die spezielle Buckelpisten-Technik.
„Jeder kann Tiefschneefahren lernen“, ist die Botschaft von Ernst Garhammer. Seine drei Brüder, seine Schwester Hedy und er gehörten in den 70er Jahren zu den „Revoluzzern der Berge“ und tobten sich statt im Rennsport lieber auf Buckelpisten, beim Springen und „Ski-Ballett“ aus. Ernst Garhammers älterer Bruder „Fuzzy“ war der Trendsetter, doch auch die anderen vier Garhammers gehörten in der damals „Hot Dog World Trophy“ getauften Weltcup-Serie zur absoluten Spitze.
Ganz so wild wie einst geht es in den Kursen aber nicht zu. „Hier hat Sicherheit die oberste Priorität“, betont Ernst Garhammer auf dem Kitzsteinhorn-Gletscher bei Kaprun im Salzburger Land. Wer ohne Sicherheitsausrüstung und entsprechende Ausbildung abseits der Pisten fährt, spielt mit seinem Leben. Ohne ein sogenanntes Ortovox-Lawinenverschüttensuchgerät (LVS) darf deshalb niemand ins Gelände. Selbstverständlich sollten auch Helm und Rückenprotektor sein. Garhammer empfiehlt außerdem einen „ABS-Lawinenairbag“, mit dem der Skifahrer im Ernstfall auf der Lawine „schwimmen“ können soll. Das verhindere meist die Verschüttung, die Überlebenschancen steigen.
Mit Vorsicht und der richtigen Technik sei das Gelände-Skifahren auch nicht gefährlich, ist der Kursleiter überzeugt: „Da habe ich viel mehr Angst auf den überfüllten Pisten, wo einige viel zu schnell unterwegs sind.“ Im Tiefschnee geht es langsamer und genussvoller zu.
Gleichsam wie Tänzer schwingen die Schüler nach wenigen Kurstagen durch den Tiefschnee. Etwas unorthodox sieht es schon aus, wenn sie mit ausgestreckten Armen und weit ausladenden Oberkörper-Drehungen durch den Hang pflügen. Doch auch die nach dem aktuellen Ski-Lehrplan fahrenden Skeptiker müssen bei der abendlichen Videoanalyse zugeben: Der Erfolg auch bei weniger guten Skifahrern gibt der „ABS-Technik“ recht: „Andrehen, Beugen, Strecken - das ist das ganze Geheimnis“, erläutert Garhammer. Die immer populärer werdenden breiten Ski erleichtern den Tiefschnee-Ritt zusätzlich.
In Tatjana Mittermayers Buckelpisten-Kursen wiederum scheint es darum zu gehen, die Beine der Teilnehmer in Stoßdämpfer zu verwandeln. Nach ein paar Kurstagen stürzen sie sich Hänge hinunter, die eher an Kraterlandschaften als an Pisten erinnern. Dennoch sind die Camps der Olympia-Zweiten von Nagano 1998 nicht nur für Freaks gedacht. Sondern sie sollen Skifahrer, die die heute oft perfekt präparierten Pisten gewöhnt sind, wieder geländetauglich machen.
Kurse für Tiefschnee-Einsteiger gibt es auch in Kanada in der weißen Wildnis der Rocky Mountains. Spezialisten wie das Unternehmen RK wollen ihren Kursteilnehmern vor allem die Unsicherheit vor der der ersten Heliskiabfahrt nehmen, erklärt Skilehrer Bap Koller. Zunächst geht es für einen Tag ins ganz normale Skigebiet. Skiführer bereiten die Gäste dort skitechnisch, aber auch mental vor - so sind die Debütanten viel entspannter, wenn es in den Tiefschnee geht.