Wo New York wie ein Dorf wirkt: Shoppen und Schauen in Hongkong
Hongkong (dpa/tmn) - Seit 1997 gehört Hongkong wieder zu China. Doch die langjährige britische Herrschaft ist bis heute zu spüren: Westliche und östliche Einflüsse verschmelzen miteinander. Das zeigt sich nicht nur beim Shopping.
Suchen muss man auf dem Ladies Market nicht. Ausgefallene Mitbringsel fallen einem auf dem belebten Straßenmarkt in Hongkong fast von allein in den Schoß: kleine ferngesteuerte Autos in der Dose, Perücken in Pink, Orange, Weiß und Grün, Poster von Bruce Lee, Badetücher mit dem Konterfei von Hello Kitty, USB-Sticks getarnt als Super Mario oder Tom & Jerry, seidig schimmernde Kleider mit chinesischen Ornamenten, neonfarbene Handytaschen oder Armbanduhren. Die Auslagen der dicht gedrängten kleinen Stände gönnen den Augen keine Pause.
Nur eine Straße weiter reiht sich ein hell beleuchtetes Geschäft an das andere. Fast unendlich viele bunte Schilder mit chinesischen Schriftzeichen hängen über der Straße. In den Schaufenstern stehen die neuesten Turnschuhmodelle der großen Markenhersteller. In der anderen Richtung haben sich die Elektronikhändler angesiedelt und bieten Smartphones, Computer, Tablets oder Kameras an. Ein wahres Schnäppchen-Paradies. „Wer hier den verlangten Preis bezahlt, ist selber schuld“, sagt Fremdenführerin Wing Lau. Denn Handeln gehört in Hongkong dazu.
Ohnehin bietet die Millionenmetropole am südchinesischen Meer ein schier unendlich erscheinendes Warenangebot. Über das ganze Stadtgebiet verteilen sich zahlreiche bunte, traditionelle Märkte, kleine Geschäfte und auf Hochglanz polierte Einkaufszentren wie das „1881 Heritage“ - das frühere Hauptquartier der Marine-Polizei. Kaum eine Straße in Kowloon oder Hongkong Island, in der nicht irgendetwas verkauft wird: chinesische Kräuter, frische Fische in gekühlten Plastikkisten, teure Polohemden oder goldene Uhren.
Das üppige Angebot ist allerdings nicht nur für die jährlich über 30 Millionen Touristen gedacht, die die ehemalige britische Kolonie besuchen. „Einkaufen ist Teil unserer Kultur“, erklärt Mandy Soh, Marketing Managerin des Hotels „Icon“. Nach dem Feierabend noch ein wenig durch die Straßen zu bummeln, gehöre für viele Bewohner der heutigen Sonderverwaltungszone einfach dazu. Und Fremdenführerin Wing ergänzt mit einem Lächeln: „Manche Feiertage werden nur als Ausrede benutzt, um wieder einkaufen gehen zu können.“
Bei all dem lebhaften Trubel - an vielen Stellen finden sich auch stille Rückzugsorte. Zum Beispiel im Hongkong Park im Central District auf Hongkong Island. Ein plätschernder Brunnen hält hier den Lärm der Straßen fern. Ohne das fröhliche Geplapper der Schulkinder, die nach Schulschluss in ihren Uniformen durch den Park ziehen, wäre es fast ruhig. Im großen, künstlich angelegten Teich ziehen bunte Fische ihre Bahnen. Doch trotz der üppigen Vegetation vergisst man die Großstadt nie. Denn hinter dem satten Grün der Bäume recken sich die verglasten Wolkenkratzer in den blauen Himmel.
Rückzugsräume bieten auch die vielen buddhistischen oder taoistischen Tempel. Zum Beispiel der Man-Mo-Tempel an der Hollywood Road auf Hongkong Island. Wer durch das üppig verzierte rot-goldene Portal schreitet, tritt in eine andere Welt: Von der Decke in dem schummrig beleuchteten Raum hängen Kegel, an deren Ende rote Zettel baumeln. Auf diesen Zetteln, die von den Tempelwächtern aufgehängt wurden, haben Besucher ihre Wünsche geschrieben. „Geht der Wunsch in Erfüllung, muss man wieder kommen und sich bedanken“, erklärt Wing. Verkauft werden die roten Zettel an einem Tresen in der Ecke des großen Hauptraumes.
Gegen eine kleine Spende gibt es hier auch Räucherstäbchen, die in Bündeln in verschiedenen Größen zu haben sind. Zu hunderten stecken die glimmenden Stangen in großen, mit Sand gefüllten goldenen Schalen. Der herb würzige Qualm liegt schwer in der Luft. Vor den bunt gekleideten Figuren der Gottheiten auf dem Altar an der Stirnseite des Raumes wurden Opfergaben aus Obst aufgetürmt. Gläubige stehen mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen davor und beten, während draußen auf der Straße das Leben pulsiert.
Hongkong ist beeindruckend. Das liegt aber nicht nur an den vielen Schaufenstern und den stillen Oasen. Vor allem an der Skyline kann man sich kaum sattsehen. Weil Baugrund wegen der hügeligen Landschaft knapp ist, wird einfach in die Höhe gebaut. Häuser mit zwölf Stockwerken wirken hier klein. „Das größte Gebäude ist das Internationale Kongresszentrum“, erklärt Wing. Das Hochhaus mit der verspiegelten Fassade ragt 484 Meter oder 108 Etagen in die Luft. Von der „sky100“ genannten Aussichtsetage im 100. Stockwerk hat man die gewaltige Stadt gut im Blick.
Über 1100 Quadratkilometer Landfläche umfasst das Sonderverwaltungsgebiet Hongkong - verteilt über mehr als 260 Inseln. Von den mehr als sieben Millionen Einwohnern leben die meisten in Kowloon und auf Hongkong Island. Vor allem in der Nacht zieht einen die Stadt in den Bann. Fast von jedem Standort am Wasser sieht die Silhouette der Stadt beeindruckend aus. New York City erscheint von hier aus fast wie ein Dorf.
Besonders schön ist das Panorama vom 552 Meter hohen Victoria Peak auf Hongkong Island. Nach oben gelangt man mit einer alten Bergseilbahn. Seit 1888 schiebt sich die rote Tram in einem Steigungswinkel von 45 Grad langsam den Berg hinauf. Dort, wo früher nur die wohlhabenden Kolonialherren wohnten, wuseln heute zahllose Touristen aus der ganzen Welt über die Aussichtsplattform. Sie genießen den atemberaubenden Blick über die Hochhausschluchten und die grünen Hügel auf den Victoria Harbour.
Trotz der Größe macht es Hongkong seinen Besuchern einfach. Die Orientierung fällt auch Europäern auf Anhieb leicht, denn Sprachbarrieren gibt es kaum. Fast alle Bewohner der Stadt sprechen fließend Englisch. Straßenschilder oder Hinweistafeln sind fast immer zweisprachig. Hongkong besitzt außerdem ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz. Touristen haben die Wahl zwischen U-Bahnen, Bussen, Zügen, schmalen Straßenbahnen, die wegen ihrer Warnglocken auch „Ding Ding“ genannt werden, Fähren und Taxen. Auch hier sind Schilder und Pläne durchweg zweisprachig.
Das Essen überfordert europäische Mägen nicht. Schätzungsweise 6000 Restaurants gibt es in der Stadt. Die westliche Küche kommt in Hongkong nicht zu kurz. „Die besten Restaurants gibt es in den Hotels“, erklärt Wing. Und auch in Einkaufszentren verstecken sich viele gute Gaststätten.
Zum Beispiel das „Harlan's“, das sich vor allem der italienischen Küche verschrieben hat. Untergebracht ist das Restaurant im Einkaufszentrum „The One“ an der Nathan Road in Kowloon. Von der Terrasse aus hat man einen guten Ausblick auf die Lasershow, die jeden Abend den Himmel über der Skyline von Hongkong Island erleuchtet.
An der chinesischen Küche sollten Besucher aber nicht achtlos vorbeigehen. „Sie sollten mindestens einmal Dim Sum probiert haben“, sagt Wing. Diese auf unterschiedlichste Art gefüllten Teigtaschen werden in vielen Restaurants angeboten. „Jedes Restaurant hat seine eigenen Spezialitäten entwickelt“, erklärt Wing.
Vor dem Laden von Tim Ho Wan in der Fuk Wing Street in Kowloon zum Beispiel bilden sich regelmäßig lange Schlangen. Das Warten lohnt sich. Selbst der Berliner Sternekoch Tim Raue ist hier regelmäßig Gast. „Man vergisst beim Essen alles um sich herum“, sagt er.