Sizilien Zu Besuch bei Italiens Kultkommissar
Die Küstenregion im Südosten Siziliens bietet eine traumhafte Filmkulisse für die Montalbano-Filme.
Commissario Salvo Montalbano (gespielt von Luca Zingaretti) ist im italienischen Fernsehen so einer wie bei uns der Privatdetektiv Georg Wilsberg: Ein Schlitzohr, das seinem Bauchgefühl mehr folgt als den Vorschriften, ein Ermittler, der auf der Seite der einfachen Leute steht. Am Ende hat er seine Kriminalfälle gegen alle amtlichen Vorbehalte gelöst, und seine Dauerverlobte Livia in Genua (Katharina Böhm) ist so stolz auf ihn wie Wilsbergs Ewig-Liebe Anna Springer in Münster.
Was bei uns Westfalen, ist in den inzwischen 26 Montalbano-Folgen im italienischen Fernsehen die Iblei-Küstenregion in und um Ragusa, wo sich die Straße von Messina und das Ionische Meer treffen. Jahrtausende alte Städte und 120 Kilometer Strand mit malerischen Dörfern bieten die Kulisse für den Commissario, der es mit organisierter Kriminalität, mit Korruption und Mord zu tun hat. Und sich immer wieder auf seinen heimischen Balkon mit Meeresblick oder zu sizilianischen Mahlzeiten mit seinen wenigen echten Freunden zurückzieht.
Montalbanos fiktiver Heimatort Vigàta ist in der Wirklichkeit der Fischerort Punta Secca. Ivana Miccichi hat die weiß-blaue Villa an der Corso Aldo Moro 44 gepachtet. „Meine Idee war: Wenn dort keine Dreharbeiten sind, vermiete ich das Haus als Bed-and-Breakfast-Unterkunft“, sagt die geschäftstüchtige Sizilianerin. Vier Zimmer werden in „La Casa di Montalbano“ vermietet, je nach Saison zwischen 95 und 160 Euro pro Nacht. Inklusive Privatstrand.
Einmal im Jahr rückt der Film-Tross an. Dann wird vier bis fünf Monate lang alles aufgebaut, was für zwei Film-Folgen notwendig ist. Die Schauspieler sind 24 Tage am Drehort, und das schon seit 15 Jahren. „Immer das gleiche Haus, die gleichen Personen, der gleiche Ort“, schildert Ivana. „Für die Filmaufnahmen wird der gesamte Ortskern leer geräumt. Man sieht nur die Schauspieler, keine Autos außer dem alten Fiat Tipo von Montalbano. Die Fernsehzuschauer lieben die Kontinuität.“
Wenn der Commissario zu seinem Chef, Inspektor Luca Bonetti Alderighi, muss, dann begibt sich der komplette Filmstab in die Großstadt Scicli. Dann muss der dortige Bürgermeister sein Amtszimmer verlassen, das Rathaus wird zur Polizeipräfektur und am repräsentativen Schreibtisch nimmt der Film-Polizeichef Platz. Inspektor Alderighi ist „ein feiner Mann, gebildet und zurückhaltend, eine Persönlichkeit wie aus vergangenen Zeiten“, heißt es im ersten von inzwischen 22 Montalbano-Büchern des Schriftstellers Andrea Camilleri, die als Vorlage für die Fernsehfilme dienen. Die Frau des Inspektors ist eine hervorragende Köchin, und mindestens alle 14 Tage besprechen die beiden Polizisten ihre Fälle am heimischen Esstisch, ohne dass Maulwürfe mithören können.
Ezio Palazzolo, Direktor des Fremdenverkehrsverbandes
Die prachtvollen Bauten, die großzügigen Piazze und die kleinen Gassen der Städte Ragusa, Comiso, Scicli, Modica und ihre Umgebung bieten eine atemberaubende Kulisse für Kriminalgeschichten und ein ideales Territorium für Versteckspiele, Verfolgungsfahrten und Verschwörungen. Immer wieder gibt es in Buch und Film subtile Gesellschaftskritik und Seitenhiebe auf aktuelle italienische Politik. Montags ist für Millionen Italiener im Fernsehprogramm von RAI 1 Montalbano-Tag.
Die Küstenregion, in der die Straße von Messina und das Ionische Meer aufeinandertreffen, lag lange abseits der Touristenströme. Die flossen auf gut ausgebauten Straßen vom Flughafen Catania nach Agrigento. Drei Faktoren haben entscheidenden Einfluss, dass die Region auch als Tourismusziel an Bedeutung gewinnt. Ezio Palazzolo, Direktor des Fremdenverkehrsverbandes: „2013 haben wir den internationalen Flughafen Comiso in Betrieb genommen, einen ehemaligen Militärstützpunkt. Gleichzeitig ist die Straße von Rosolini nach Ragusa ausgebaut worden. Und dann haben wir Montalbano als Gesicht unserer Region entdeckt.“
Die Region hat mittlerweile 636 Bed-and-Breakfast-Häuser, Gästehäuser und Hotels. Die unsichere Situation in Ägypten, Nordafrika und in der Türkei beschert Sizilien neue Urlaubsfreunde. Vom Hafenort Pozzallo aus kann man Tagestouren nach Malta unternehmen — mit nur einer Stunde Überfahrt.
Der Autor reiste mit Unterstützung von Ryanair.