Nordsee Der erste Weg führt immer ans Meer
Neben der Natur bezaubert auf der Insel auch die Gastronomie. Für alle, die mehr als den Strand genießen wollen.
Sylt. Unendlich weit wirken die Strände zwischen List und Hörnum, 42 Kilometer lang und bis zu 200 Meter breit sind sie. Davor thront majestätisch die Nordsee: Mal überspülen gemächliche Wellen die Fußspuren der Spaziergänger, zurück bleiben ein paar Muscheln und hier und da ein Krebs. Mal fängt das Wasser an zu schäumen, scheint dann vor Wut zu toben und versprüht seine Gischt in enorme Höhen.
Wenn der Wind kräftig ins Gesicht bläst und die jodhaltige Luft durch den Körper strömt, dann ist es da, das Gefühl von Freiheit, das typische Sylt-Feeling. Die Natur ist das größte Kapital der Insel. Feine Sandstrände im Westen, ausgedehntes Wattenmeer im Osten. Idylle zwischen Dünen und Deichen. Sattgrüne Wiesen, blühende Heide und imposante Kliffe.
Vor sechs Jahren wurde das Wattenmeer vor Sylt in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen. Umweltschutz wird seit jeher großgeschrieben, gut die Hälfte der Insel steht unter Naturschutz. Von der intakten Flora und Fauna profitieren die Landwirte schon lange. Die Morsumer Kartoffeln stehen selbst bei Sterneköchen hoch im Kurs, das Frühstücksei von „Eier Petersen“ hat Kultcharakter und die Milch aus Deutschlands kleinster Molkerei „Nielsen“ ist meist gegen Mittag schon ausverkauft.
Ein kulinarisches Insel-Highlight besonderer Güte gibt es nur im Frühling: das Sylter Salzwiesenlamm. Diese günstigen ökologischen Bedingungen haben auch die Spitzenköche der Insel erkannt. Allen voran Johannes King. Hinter seinem Wohnhaus hat der Koch aus dem Restaurant Söl’ring Hof einen Bauerngarten angelegt. Dort zieht er nicht nur Rauke und Thymian, sondern auch Spargel, Rosenkohl und Rüben.
„Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen, für mich ist das ein Stück Heimat“, erzählt der gebürtige Schwarzwälder. King hat auch einen eigenen Kutter. Mit dem Sportangelschiff „Traumfänger“ fährt er sogar selbst aufs Meer, um einen Teil des Fisch- und Krabbenbedarfs zu decken. Unkompliziert probieren kann man seine Spezialitäten auch im Bistro „Johannes King“ in Keitum.
Sein Kollege Alexandro Pape aus dem Restaurant Fährhaus hat sich die geografischen Besonderheiten seiner Wahlheimat ebenfalls zu eigen gemacht. Dem Küchenchef ist es gelungen, das erste Sylter Meersalz herzustellen. Die feinen Kristalle werden aus reinem Nordseewasser gewonnen. Dafür ist viel Sonne, Wind und Wärme nötig, denn Salz wird nicht durch Sieden gewonnen, sondern durch Verdunsten.
Um südeuropäisches Klima zu erzeugen, hat der 40-Jährige eine Indoor-Saline bauen lassen. Sie steht ausgerechnet an Deutschlands nördlichster Stelle, in List.
Sylt hat mehr als 200 gastronomische Betriebe und gilt als kulinarische Hochburg Deutschlands. Dabei schmeckt das Krabbenbrötchen direkt vom Kutter in Hörnum genauso gut wie die selbstgezüchteten Austern in List oder der kräftige Grünkohl zur Biike, dem Nationalfest der Friesen.
Doch die meisten Besucher wollen gern am Meer sitzen. Nirgends macht das mehr Spaß als bei Wonnemeyer. Um das Strandlokal von Rüdiger Meyer und Britta Wonneberger zu erreichen, geht man ein paar Minuten durch die Wenningstedter Dünen. Auf einem Holzpodest sitzt man direkt über dem Sand und spürt die Gischt im Gesicht.
Auf den Teller kommt idealerweise die Muschelplatte mit Sylter Scheidemuscheln, Miesmuscheln und kleinen Meeresschnecken oder das Pollo Mallorquin, ein scharf gewürztes halbes Hähnchen.
Manchmal herrscht dagegen Jahrmarktstimmung in der Sansibar, der berühmten Bretterbude am Strand von Rantum. Rund um die Uhr entspannt geht es an der Buhne 16 zu, jenem Abschnitt am Kampener Strand, an dem schon Gunter Sachs und Romy Schneider in den 60er-Jahren das süße Lebens genossen.
Zum Sonnenuntergang kommt Chill-Out Musik auf den Plattenteller und selbst geangelte Makrelen auf den Grill. Man sitzt entweder auf einem Holzpodest mit sagenhaftem Panoramablick über Dünen und Meer oder an Tischen direkt am Strand, die Füße im warmen Sand.
Wer auf Sylt war und nicht durch die „Whiskeymeile“ geschlendert ist, hat etwas verpasst. Den Anfang der kleinen Straße mit den sündhaft teuren Boutiquen, Juwelieren und Immobilienmaklern markiert das Gogärtchen. Vor zwei Jahren hat ein junges Gastronomen-Paar das Lokal von Promiwirt Rolf Seiche übernommen. Nun gibt es in dem reetgedeckten Hexenhäuschen auch Pizza. Am besten bestellen Gäste dazu ein Bier und setzen sich an die Außenbar.
Von dort haben Besucher den besten Blick auf das illustre Geschehen in Kampen, den Treffpunkt der Reichen und Schönen.