Wie reitende Boten Mit dem Fahrrad auf Friedenstour im Münsterland
Münster (dpa/tmn) - Bedächtig wiegt der Bauer seinen Kopf. „Den Weg der Friedensreiter wollt ihr fahren, bis nach Osnabrück?“, fragt er. Ungläubig scheint er zu staunen, was den Leuten heutzutage so einfällt, die auf E-Bikes an seinem Gehöft vorbeirollen.
Die Radwanderer wollen in drei Tagen auf der 175 Kilometer langen Friedensroute von Münster nach Osnabrück und zurück fahren. Auf handtuchschmalen Sandpfaden, holprigen Waldwegen und über stille Landstraßen. Die flache Strecke führt vorüber an Weiden, Getreidefeldern und durch kleine Wälder in der sanften münsterländischen Parklandschaft. Im hügeligen Tecklenburger und Osnabrücker Land bewältigen die Radler einige steile Anstiege.
Greven, Tecklenburg, Lienen, Bad Iburg, Bad Laer, Glandorf, Ostbevern und Telgte sind die Hauptorte entlang der touristischen Rundroute, die seit 1998 besteht. Der 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, war die Initialzündung für das Projekt. „Sie folgt den Pfaden der reitenden Boten, die ab 1643 während der fünf Jahre dauernden Friedensverhandlungen mit Depeschen zwischen Münster und Osnabrück unterwegs waren“, erklärt Hans-Joachim Gerdemann, Fahrradexperte beim Tourismusverband Münsterland in Greven. Auch eine Route für Wanderer gibt es („X 1648“), 74 Kilometer von Münster nach Osnabrück.
Radtouristen wie Wanderer begeben sich zwischen beiden Städten auf eine Zeitreise in die europäische Geschichte. Wer die Tour in Münsterbeginnt, sieht während der „ Stadtführung 1648“ im gotischen Rathaus den Friedenssaal. Dort wurde am 15. Mai 1648 der Teil-Frieden zwischen Spanien und den Niederlanden beschworen und damit die politische Selbständigkeit der Niederlande besiegelt. Am 24. Oktober 1648 folgte der Westfälische Frieden, mit dem zum ersten Mal überhaupt in Europa ein Krieg nicht militärisch sondern durch Verhandlungen beendet wurde.
In Tecklenburg etwa führt die Route zum hübschen Haus Marck, dessen Ursprünge bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Hausherrin Ricarda Freifrau von Diepenbroick-Grüter gesellt sich hin und wieder zu den Friedensradlern. „Auch bei uns auf Haus Marck gab es im Juli 1643 erste Vorverhandlungen.
Zu dem dreistündigen Gespräch kamen die Gesandten Johann Krane für die katholische Seite und für die Protestanten Christopher von der Lippe auf unser Schloss“, erzählt die Frau. Es sollte beim dreistündigen Meinungsaustausch bleiben. Denn die Räumlichkeiten erschienen den Gesandten als zu klein. Stattdessen wurde die evangelische Stadtkirche im benachbarten Lengerich für die weiteren Gespräche gewählt.
Dort erinnert auf dem Rathausplatz die metallene Pferdeskulptur an das wichtigste historische Ereignis der Stadt, das Lengericher Conclusum vom 1. Juli 1645. Danach durften alle freien Reichsstädte und Reichsstände ebenfalls an den Friedensverhandlungen teilnehmen und nicht allein die kriegführenden Parteien - das galt als Durchbruch während der langwierigen Verhandlungen.
Ein paar steile Anstiege haben die Radler im Tecklenburger und Osnabrücker Land zu überwinden. Dann fahren sie aus der stillen Natur in die lebendige Altstadt und zum Rathaus von Osnabrück mit dem Friedenssaal. Geschichtsstunde mit Stadtführerin Inge Brinkmeyer: „156 Gesandte waren damals in der Stadt, insgesamt 1500 Gäste bei 10 000 Einwohnern.“ Viel abverlangt hätten die hohen Herrn Osnabrück damals. Drei Liter Wein oder Bier pro Tag und Person hatte die Stadt bereitzustellen. Friedensverhandlungen im Rausch? Es war wohl eher die Dienerschaft, die sich beim Trinken zu verbrüdern wusste.
Über Bad Iburg mit dem Schloss aus dem elften Jahrhundert, Bad Laer mit einem der ältesten frühromanischen Wehrkirchentürme Nordwestdeutschlands und die Loburg in Ostbevern rollen die Radwanderer zurück nach Münster. Im Wallfahrtsort Telgte steht die barocke Gnadenkapelle von 1657. Hier beten fromme Christen vor dem Bildnis der Schmerzhaften Muttergottes - für den Frieden.