Gehen, wo nichts geht: Ausflug zum Berliner Geister-Flughafen
Berlin (dpa/tmn) - Was alles nicht geht am neuen Berliner Hauptstadtflughafen, darüber spottet längst die ganze Welt. Um herauszufinden, was bereits geht, sollten Touristen eine der vielen Touren buchen, die auf das stille Gelände ein bisschen Leben bringen.
In einem Haus ohne Bewohner muss man Wohnen simulieren. Sonst gammelt es irgendwann. „Still bewirtschaften“ nennt Torsten Schulze das. Er ist der Direktor des „Steigenberger Hotels“ am neuen Berliner Flughafen Willy Brandt. Seit einem Jahr drehen seine Mitarbeiter jeden Tag alle Wasserhähne einmal kurz auf und wieder zu. Sie wischen Staub, sie öffnen und schließen die Fenster, und schon vor einer ganzen Weile haben sie alle Möbel von den Teppichen gerückt - Druckstellen-Prophylaxe. „Wir wollen das Gebäude möglichst neu erhalten“. Geschlafen hat dort bislang niemand.
Geschichten wie diese erfahren Touristen, wenn sie einen Tagesausflug in die brandenburgische Gemeinde Schönefeld machen, wo der neue Flughafen bereits mehrfach fast eröffnet wurde - und das Hotel mit ihm.
Die Flughafengesellschaft bietet verschiedene Ausflüge über die ruhende Anlage an. Die Teilnehmer der Tour „Erlebnis BER“ dürfen gehen, wo nichts geht: auf dem Vorfeld. „Bitte nicht rauchen, das versteht sich ja von selbst, und nicht zu weit weg vom Bus, bitte“, lautet die Ansage der Führerin, kurz bevor sie die drängelnde Gruppe auf das Betonfeld lässt.
„Hier kommst du so schnell nicht mehr hin - nur noch im Flugzeug“, sagt ein aufgeregter Mann mit Sonnenbrille und Pferdeschwanz zu einem Mädchen, das wohl seine Tochter ist. Sie nickt schweigend und tippt eine SMS ins Handy. Ob es darin um das Vorfeld geht? Ihr Vater hat jedenfalls recht: Derzeit dürfen die Teilnehmer noch auf dem Vorfeld aussteigen, sagt Flughafensprecher Lars Wagner. Nach der Eröffnung sei das undenkbar. „Wir nutzen natürlich auch die Zeit der Nichteröffnung“, erklärt er.
Zwei Stunden dauert die „Erlebnis BER“-Tour, die hauptsächlich eine Busrundfahrt ist. Ein Ticket kostet zehn Euro. Der Infotower ist eine weitere Station. Für den Aufstieg auf den in sich gedrehten Aussichtsturm vor dem Haupteingang der Terminals zahlen normale Flughafen-Touristen außerhalb der Erlebnistour zwei Euro. Nach Fußmarsch oder Liftfahrt hat die Gruppe in 32 Metern Höhe einen Überblick vom alten Flughafen Schönefeld über die künftige nördliche Start- und Landebahn bis zum Terminal mit Cargo-Center, Parkhäusern, Bürokomplex - und dem „Steigenberger Hotel“.
Neben den Bustouren haben Besucher im Juli und August immer samstags die Möglichkeit, das Gelände mit dem Fahrrad zu erkunden. Auch die Radler bekommen die Extrawurst Vorfeld. Startpunkt ist der Infotower, später geht es über die neue Start- und Landebahn. Für 15 Euro ist ein Lunchpaket inklusive. Drei verschiedene Angebote gibt es für junge Besucher: die Flughafentour für Kita-Gruppen, eine für Schüler von der ersten bis zur achten Klasse sowie die „Ready for Take-Off“-Tour für ältere Jugendliche.
Sehr elegant wirkt das Terminal vom Vorfeld aus. Von der 715 Meter langen Glasfront ragen 16 Passagierbrücken auf die Betonfläche. Hinter den Scheiben warten unter durchsichtiger Plastikplane schwarze Sessel auf Passagiere. „Eigentlich müsste man nur noch mal feucht durchwischen, und es könnte losgehen“, sagt die Airport-Führerin auf die zaghafte Frage einer älteren Dame („Warum jetzt noch mal genau ist der immer noch geschlossen? Feuer?“). Wäre die Sache mit der Entrauchungsanlage nicht. „Die Rohre sind da, die Software ist da, aber die Schnittstelle funktioniert noch nicht“, erklärt sie Besuchern mit fragenden Gesichtern. „Na ja, Klappe A weiß vorne nicht, was Klappe Z hinten macht.“
Im Untergrund tut sich schon etwas. Die S-Bahn rollt unter dem Terminal hindurch - leer, aber tapfer. Sie muss, andernfalls käme nicht genug Luft in den Tunnel, und Schimmel würde sich breitmachen. Da könnten Touristen doch mal eine Runde mitfahren? „Die Idee ist schön, und die hätten wir auch gern umgesetzt“, gibt Ingo Priegnitz zu, der Sprecher der Berliner S-Bahn. Die Nachfrage sei sicherlich da. Aber die Brandschutzbestimmungen machen nicht nur oberirdisch viele Striche durch viele Rechnungen. Denn solange das Terminal nicht offiziell brandgeschützt ist, dürfen Touristen nicht in S-Bahn-Zügen unter dem Gebäude hindurchrollen - da kann der Tunnel noch so brandsicher sein. „Und der ist es auch“, stellt Priegnitz klar.