Nostalgie-Reisen mit der Postkutsche
In historischen Fahrzeugen ändert sich für Reisende die Perspektive völlig.
Stuttgart. Was schnauft denn dort die Straße hinauf? Wo der Oldtimer auch vorbei kommt: Überall bleiben die Leute stehen, winken fröhlich und staunen über das kuriose Fahrzeug. Auch im Oldtimerbus der 50er Jahre, im schmucken Ford A Tourer oder gar in einer vierspännigen Postkutsche wird das Reisen auf ein Mal wieder zum Erlebnis.
Bei solchen beschaulichen Touren in historischen Fahrzeugen sind dem Reisenden nicht nur die staunenden Blicke der Umstehenden sicher. Er selbst entdeckt dabei auch den Reiz der Langsamkeit. Wir stellen drei originelle Reisen in historischen Fahrzeugen vor. Hellblaue Gardinen flattern fröhlich im Fahrtwind der weit geöffneten Fenster des historischen Neoplan-Busses NH 6/7.
Mit 132 Pferdestärken zuckelt der blau-weiß lackierte Oldtimerbus gemütlich über die Romantische Straße von Würzburg nach Füssen. Eine Klimaanlage oder Bordtoilette gibt es in diesem Bus natürlich nicht.
Aber dafür wird unterwegs nicht nur für die zahlreichen Sehenswürdigkeiten der Romantischen Straße angehalten, sondern auch um die malerische Landschaft zu genießen und vielleicht ein paar Blümchen zu pflücken, die während der Weiterfahrt in die kleine Vase neben dem Armaturenbrett gesteckt werden — willkommen im Charme der 50er Jahre.
Vor zwei Jahren zum Jubiläum „60 Jahre Romantische Straße“ ging der historische Bus erstmals auf Reise. Seither klettern Gäste aus ganz Europa in den knuffigen Bus, aber auch aus Neuseeland und China kamen bereits Mitreisende.
Gefahren wird mit leichtem Gepäck, schließlich ist der Kofferraum erheblich kleiner als bei modernen Reisebussen. Während der viertägigen Tour besuchen Gäste Schlösser und Kirchen, mittelalterliche Städte wie Creglingen, Rothenburg und Dinkelsbühl und Deutschlands einziges Fingerhutmuseum.
Lange Schnauze, große Räder, elegant geschwungene Kotflügel — Traumautos mit diesen Maßen können meist nur noch in Museen bewundert werden. In der Nähe von Bielefeld jedoch dürfen sich Liebhaber von Oldtimern selbst hinter das Steuer setzen und für ein paar Tage wie vor rund 80 Jahren zur Landpartie aufbrechen.
Seit einem Jahr bieten Edeltraut Dombert und Thomas Dohna Touren in ihren Oldtimern zum Selbstfahren an. Zur Verfügung stehen ein Ford A von 1929, ein Austin 12 Clifton Tourer Baujahr 1928 und ein Durant D65 Tourer von 1928. Hat man erst mal raus, wie Zwischengas, Choke und Standgas zu handhaben sind, kann die spektakuläre Fahrt durch das Osnabrücker Land beginnen.
Die Touren, zu denen die Gäste allein oder in Begleitung starten, folgen einer exakten Streckenbeschreibung auf wenig befahrenen, aber landschaftlich reizvollen Routen. Neben einer stilechten Cabriohaube, Brille und einer wärmenden Bockdecke — schließlich können alle Fahrzeuge das Verdeck öffnen — ist immer ein gepackter Picknickkorb mit an Bord. Nach einer mehrtägigen Reise fällt der Abschied von den Limousinen mit maximal 47 Pferdestärken schwer.
„Kommet Buabe!“, fordert Kutscher Otto Müller liebevoll seine Rösser auf. Er knallt kurz mit der Peitsche, und schon klappern die Pferdehufe hurtig übers Pflaster. Zurück ins 18. und 19. Jahrhundert geht die Zeitreise in einer königlich-württembergischen vierspännigen Postkutsche der Kultur- und Veranstaltungsagentur Kultissima durch das Remstal von Stuttgart-Bad Cannstatt über längst vergessene Poststraßen bis nach Schorndorf.
Stilecht sind die Reisenden dazu im Biedermeierstil gekleidet. Damen schlüpfen in Kleider mit ausladenden Reifröcken und bekommen ein keckes Hütchen, Herren in einen schwarzen Gehrock und Zylinder. So ausstaffiert stellt sich bei den Gästen sogleich ein authentisches Reisegefühl ein.
Sie winken huldvoll den Zaungästen am Straßenrand zu. Sollte es regnen, werden die zierlichen Schirmchen aufgespannt oder es wird für die erlauchte Reisegesellschaft eine kleine Pause in einer der ehemaligen Poststationen eingelegt, die heute schmucke schwäbische Landgasthöfe sind.
Während der zwei- oder dreitägigen Fahrt ereignen sich unterwegs unterhaltsame Begegnungen mit historisch gekleideten Berühmtheiten. Der Spielmann Pfeffer mit seiner Fidel berichtet von Streichen gegen die Obrigkeit, und Emma Pauline Daimler trauert früheren Zeiten nach, als noch mehr Kutschen unterwegs waren. Übernachtet wird in komfortablen Gasthöfen. Räuber und Banditen brauchen die Reisenden nicht zu fürchten.