Spurensuche an der Oder: Kleists Frankfurt

Frankfurt/Oder (dpa/tmn) - Heinrich von Kleist war nirgendwo so richtig zu Hause. Gelebt hat er an vielen Orten. Mit seiner Geburtsstadt Frankfurt an der Oder hat ihn nicht viel verbunden. Ein Abstecher dorthin lohnt aber schon wegen des sehenswerten Kleist-Museums.

Heinrich von Kleist mied seine Heimatstadt. Seit dem Tod seiner Mutter 1793 war Frankfurt an der Oder für ihn „kein Aufenthalt der Freude mehr“, wie er als Fünfzehnjähriger schrieb. Wer die Stadt heute besucht, entdeckt überall Kleist-Flaggen, die mit Zitaten des Dichters beschriftet sind. Im Kleist-Jahr aus Anlass seines 200. Todestages gibt es hier Lesungen, Theateraufführungen und sogar Kleist-Kekse. Lohnenswert ist auch ein Rundgang durch die Stadt: Er startet am Kleist-Museum.

Einst war in dem spätbarocken Bau die Garnisonschule der Stadt untergebracht. Zurzeit ist in den Räumen die Ausstellung „Kleist: Krise und Experiment“ zu sehen. Persönliche Gegenstände aus dem Besitz des Schriftstellers sucht man hier allerdings vergebens. „Von Kleist ist noch nicht mal eine Schnupftabakdose erhalten“, sagt der Bibliothekar und Stadtführer Hans-Jürgen Rehfeld.

Kleist, 1777 geboren, entstammte einem alten Adelsgeschlecht. Getauft wurde er in der alten Garnisonkirche aus dem 13. Jahrhundert. Heute beherbergt sie eine Konzerthalle. Kleists Geburtshaus lag wenige Minuten entfernt in der Oderstraße. „Hier wohnten wohlhabende Bürger, Kaufleute und Angehörige der Universität“, sagt Rehfeld. Im Jahr 1945 brannte die Frankfurter Innenstadt fast völlig nieder, auch Kleists Geburtshaus fiel den Flammen zum Opfer.

Heute steht an seiner Stelle eine Mietskaserne. Im Inneren befindet sich die Ausstellung „Kleist-WG“. Die Räume sind mit Schüler-Kunstwerken gefüllt, die Kleists Hang zu Verzweiflung und Selbstzerstörung thematisieren. Kleists Eltern starben früh, er musste mit 15 Jahren Soldat werden, quittierte 1799 aber den Dienst und begann ein Studium an der Frankfurter Universität. Schon bald folgte ein unstetes Leben: Kleist brach sein Studium ab und irrlichterte durch halb Europa.

Die St. Marienkirche aus dem 13. Jahrhundert lag einst in Sichtweite von Kleists Geburtshaus. In den 1970er Jahren stellte die Stadt hier das Kleist-Denkmal auf: Es zeigt eine Figur, die mit ihren Füßen im Sandstein steckt und ihr Gesicht verbirgt. Diese Geste steht für Sehnsucht und Schmerz, es sind Gefühle, die Kleist in seinem Leben immer wieder durchlitten hat. Kleist, vom Misserfolg als Autor enttäuscht, erschoss sich am 21. November 1811 in Berlin.

Literatur:

Rehfeld, Hans-Jürgen: Der arme Kauz aus Brandenburg. Heinrich von Kleist in Berlin und Brandenburg. Ein literarischer Reiseführer, 2011, Findling Buch- und Zeitschriftenverlag Kunersdorf, 12 Euro, ISBN-13: 978-3-933603-48-7