Zwei Bretter und ein Berg - 125 Jahre Skilauf im Schwarzwald
Titisee-Neustadt (dpa/tmn) - Trägt der Reisende ein Narrenkostüm? Zählen die seltsamen Holzbretter und der Stock zur Verkleidung? Es ist der Fastnachtssonntag 1981, als Dr. Robert Pilet am Bahnhof Titisee aus dem Zug steigt.
Er macht sich auf den Weg zum Feldberg.
Dort sorgt er bei den Einheimischen für große Verwunderung. Zwei Meter Neuschnee sollen an diesem Tag auf dem 1493 Meter hohen Gipfel gelegen haben. Mehr als drei Stunden wird der französische Diplomat auf Skiern für die zehn Kilometer lange Wegestrecke bis zum Hotel „Feldberger Hof“ brauchen.
Über 1000 Höhenmeter stapft Pilet durch die Winterwelt bergauf. Fünf Stunden später steht der 33 Jahre alte Globetrotter auf dem Gipfel. In der Dämmerung des Nachmittags kehrt der Pionier im Hotel ein und schreibt ins Gästebuch: „R. Pilet, Dr., Heidelberg, Februar 8.1891, mit Norwegischen Schneeschuhen“.
„Das ist der Beginn des Skilaufes im Schwarzwald vor 125 Jahren und damit wohl auch in Mitteleuropa“, sagt Reinhard Janus vom Skiclub Todtnau. „Pilet hatte die Holzbretter zum Gleiten über den Schnee auf seinen Reisen in Skandinavien kennengelernt. In Norwegen wurden sie Ski genannt.“ In den Monaten nach Pilets Wanderung auf Skiern entdecken mehr und mehr Wintertouristen den Feldberg.
Über die Anfänge des Wintersports informiert heute das Schwarzwälder Skimuseum, das im mehr als 300 Jahre alten Bauerngehöft Hugenhof in Hinterzarten eingerichtet wurde.
Nur die Betuchten können sich Ende des 19. Jahrhunderts den Winterurlaub auf Skiern leisten und ganz nobel im „Feldberger Hof“ nächtigen. Im Alltag nutzen bald auch Einheimische die neuen Fortbewegungsmittel: Pfarrer, Polizisten, Briefträger und Hebammen gleiten auf Langlaufskiern selbst zu entlegenen Bauerngehöften.
Schreiner Ernst Köpfer aus Bernau südlich des Feldbergs ist es, der das wirtschaftliche Potential des Wintersports erkennt. Er baut 1892 als erster Mensch in Mitteleuropa eine Skiproduktion in Serie auf. Vorbild sind die Bretter aus Norwegen. Als „Marke Feldberg“ sind die Bretter von Ski-Köpfer ab 1906 beim Kaiserlichen Patent- und Markenamt in Berlin eingetragen. Enkelsohn Walter hält in einem privaten Museum liebevoll das Andenken an den Skipionier hoch.
Im einsamen Schollacher Tal grübelt Gastwirt Robert Winterhalder zu Beginn des 20. Jahrhunderts darüber, wie er Skifahrer in seine Pension „Schneckenhof“ locken könnte. Der Tüftler baut am Hang gegenüber fünf Holzmasten auf. Dazu Tal- und Bergstation mit Umlaufrädern und Endlosseil, an das spezielle Zangen und Holzgriffe für die Fahrgäste geklemmt werden. Zum Antrieb des Motors nutzt er die Wasserkraft seiner Mühle in der Talaue.
Am 14. Februar 1908 geht der Schollacher Skilift in Betrieb. Er ist 280 Meter lang und überwindet 23 Meter Höhenunterschied. „Es war der erste weltweit“, bekräftigt Enkelsohn Klaus. Mit dem Lift löst Winterhalder einen Ansturm von Wintersportlern aus. Werbeprospekte preisen seine Aufzugsbahn.
Am Feldberg ist aus einem Exotensport längst ein Winterspaß für alle geworden. Aus dem noblen „Feldberger Hof“ wurde ein 500-Betten-Hotel für Familien mit Kindern. 14 Sesselbahnen und Lifte am Feldberg können stündlich über 24 000 Wintersportler zu den 16 Pisten verschiedener Schwierigkeitsgrade transportieren.