Dem Himmel ganz nah Skifahren im weißen Fegefeuer von Purgatory
Durango (dpa/tmn) — Kalt und weiß ist das Fegefeuer - jedenfalls in Colorado. Denn Purgatory bedeutet übersetzt Fegefeuer. Und genau so heißt dieser kleine Skiort im Südwesten des US-Bundesstaates.
Wer denkt da nicht an diese unselige Wartestation, diesen kummervollen Schwebezustand zwischen Himmel und Erde?
Im sanft schaukelnden Sessellift bekommt der Name schnell eine neue Dimension. „Hier hänge ich am liebsten fest“, grinst der aus Ohio hergezogene Edward Rozycki, kratzt sich zufrieden den rotblonden Walrossbart und lässt die Beine baumeln.
Auch wenn in den vergangenen Jahren ordentlich gebaut wurde, ist das verschlafene Ski-Nest mitten in den zerklüfteten San-Juan-Bergen doch längst kein Resortriese wie Aspen oder Vail. So müssen Colorados Wintersportfabriken einmal ausgesehen haben, bevor die Schickeria einfiel und die Preise verdarb.
Weil Purgatory fernab von Ballungszentren liegt und drei Fahrtstunden von der nächsten Autobahn, drängeln sich hier keine Massen. Wochentags ist man mit den Einheimischen fast unter sich. Das ist besonders für Familien schön. Purgatory ist nicht gewachsen, sondern ein geplanter Urlaubsort. Rund um die Talstation verteilen sich Skischule und -kindergarten, kleine Läden, Ferienwohnungen und Hotels.
Das Skigebiet ist dreigeteilt. Skischüler üben am sanft abfallenden „Columbine“-Lift gleich unterhalb der Talstation. Ruhig und etwas abgelegen, brettert hier kein Raser durch. Fünf Terrainparks und Hänge in allen Schwierigkeitsgraden finden sich auf der „Front side“, gleich oberhalb des Skidorfs. Viele natürliche Bodenwellen durchziehen das Gelände. Zu weiteren Profipisten geht es dann um einen scharfen Felsenkamm herum. Die „Back side“ ist eine Seitenflanke mit vielen schwarzen Buckelhängen, besonders um den „Legends“-Lift.
Die gut gespurten Pisten sind allesamt in den Wald geschnitten. Links und rechts stehen die Fichten meist zu dicht für sicheren Slalomspaß. Deshalb soll James Coleman, seit Februar 2015 Besitzer von Purgatory, schon höchstpersönlich zur Motorsäge gegriffen haben, um die Bäume fürs Tree Skiing auszudünnen. Der Mann aus Texas hat seine Millionen mit Immobilien gemacht.
Aber Coleman sei auch selbst viel auf der Piste, wie die Skilehrer Ryan Spahr und Val Skarbek wissen. Ihr Chef wohnt seit Jahren in Durango, eine gute halbe Autostunde den Berg hinunter.
Und worauf bezieht sich der Name Purgatory jetzt? Auf den Purgatory Creek, der sich da unten durch die Talstation schlängelt, sagt Ed Rozycki und zeigt hinter sich. Warum das Flüsschen so heißt, weiß er nur ungefähr. Mit einer Ende des 18. Jahrhundert hier verschollenen Expedition spanischer Eroberer habe das zu tun. Ohne ordentliches Begräbnis, so glaubte man damals, hätten sie erst einmal im Fegefeuer festgesessen. Ed zuckt mit den Achseln und rückt seine Sonnenbrille zurecht. Der Sessellift schnurrt. Die Endstation ist fast erreicht. Schnee glitzert auf dem Gipfel. Weiße Wattewölkchen segeln über den Himmel. Hier oben in Purgatory ist man schon ziemlich nah dran.