Fakten & Fälschungen Pressecodex: Welche Informationen gehören zur Wahrheit?

Neuland. Die Qualität von Tageszeitungen in Deutschland drückt sich unter anderem darin aus, dass für sie alle ein einheitliches Regelwerk gilt. Niedergeschrieben ist es im „Pressecodex“, über dessen Einhaltung der Deutsche Presserat wacht.

Eine Auswahl verschiedener Tageszeitungen.

Foto: Jens Kalaene

Ein vergleichbare Qualitätsverpflichtung und Selbstkontrolle, die zum Beispiel für jeden Gebührenzahler nachvollziehbar und einforderbar wäre, gibt es für Fernsehen und Radio nicht. Im Pressecodex (neueste Fassung hier: goo.gl/JqKIU8) ist unter anderem ein Diskriminierungsschutz für die Berichterstattung über Straftaten geregelt.

Diese Ziffer 12.1 des Codex diente seriösen Kritikern wie rechtsradikalen „Lügenpresse“-Schreihälsen nach der Kölner Silvesternacht gleichermaßen als Beleg dafür, dass die Zeitungs-Berichterstattung ihren Leserinnen und Lesern systematisch die Nationalität von Tatverdächtigen und Tätern verschweige. Ziffer 12.1 regelte bisher, dass in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt wird, wenn zur ihr „für das Verständnis des berichteten Vorgangs“ ein begründbarer Sachbezug besteht.

Nach der Kölner Silvesternacht forderten viele Chefredakteure, die Ziffer 12.1 aus dem Pressecodex zu streichen. Eine der schärfsten Kritikerinnen ist „Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch, die sich schon vor einem Jahr in einem Branchenmagazin auf den Standpunkt stellte: „Sie (Anm.: die Ziffer) steht für ungerechtfertigte Selbstzensur und belegt, wie unmündig Leser in den Augen des Presserats sind. Schlimmer noch: Ihre Anwendung schürt das Misstrauen gegenüber der journalistischen Arbeit — Menschen merken, wenn ihnen relevante Informationen vorenthalten werden." (Zitat siehe: goo.gl/Z0OVT7)

Nach endlosen Diskussionen hat der Presserat sich zwar nicht durchringen können, die Ziffer 12.1 zu streichen, sie aber geändert. Sie verlangt nun nicht mehr einen Zusammenhang zwischen Nationalität und Tat, um die Ethnie von Tätern oder Tatverdächtigen zu nennen, sondern die entscheidende Stelle lautet nun: „Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.“ Damit ist dafür gesorgt, dass die Beschwerdeausschüsse des Presserats künftig in Dauersitzung tagen können, denn wer entscheidet bitte, was ein begründetes öffentliches Interesse ist?

Wir werden weiter verfahren wie gehabt: Gehört die Nationalität nach unserem Verständnis zur nachrichtlichen Vollständigkeit, werden wir sie wie schon bisher auch künftig nennen.