Samsung Galaxy Gear im Test: Die nicht immer smarte Smartwatch

Samsung steigt mit der Galaxy Gear in das Smartwatch-Geschäft ein. Wir haben das Debüt der Südkoreaner getestet. Die Nachrichten- und Telefonfähigkeiten haben uns begeistert. Doch es stellt sich heraus - die Uhr ist nicht immer smart. Ausländische Namen mag sie etwa nicht so gern.

Düsseldorf. Das Smartphone verlässt die Hosentasche und klettert ans Handgelenk. Das zumindest ist die Vision des südkoreanischen Elektronik-Riesen Samsung, der mit der Galaxy Gear seine erste Smartwatch auf den Markt gebracht hat. Sie soll die wichtigsten Funktionen des Smartphones direkt in Griffweite bringen. Dieses Versprechen kommt bei Samsung in Gestalt einer etwas sperrigen Digitaluhr mit einem massiven Kunststoffarmband und einem Uhrenkorpus aus Plastik in Aluminium-Optik mit vier dicken wahllos in alle Richtungen zeigenden Schlitzschrauben. Vom ersten Eindruck her eher ist das 250 Euro teure Stück Hochtechnologie eher Reisebus als Luxus-Limousine.

Ins Innere der nicht wirklich schlanken "Uhr" hat Samsung einen 800 Mhz-Prozessor, vier Gigabyte Speicher und 512 Megabyte Hauptspeicher gepackt - im Vergleich zur Größe der Gear ist das dann doch ziemlich ordentlich. Hinzu kommen ein Beschleunigungssensor und ein Gyroskop, für die Verbindung zum Smartphone sorgt ein Bluetooth-Chip. Nach oben hin abgedeckt wird das ganze von einem Briefmarken-großen Super-AMOLED-Display, über das die Galaxy Gear bedient wird. Im Armband der Smartwatch ist eine kleine 2-Megapixel-Kamera integriert, unten im Schloss der Uhr sitzt der Lautsprecher.

Wir haben die Galaxy Gear in Verbindung mit einem Samsung Galaxy Note 3 getestet. Bislang funktioniert die Smartwatch nur mit den neuesten Samsung-Smartphones und Tablets. Per Update sollen aber auch "ältere" Geräte wie das Galaxy S3 angeschlossen werden können. Die Verbindung zwischen beiden Einheiten lässt sich am besten per NFC-Nahfunk herstellen. Dazu muss die Galaxy Gear zunächst etwas umständlich in ihre Ladehalterung eingeklippst werden und dann mit reichlich Fummelei mit der Rückseite an die Rückseite des Note 3 gehalten werden. Nach zwei Versuchen erkannten die Geräte einander und per Bluetooth wurde die Verbindung hergestellt. Mit Hilfe der kostenlosen App Gear Manager lässt der kleine Computer am Handgelenk sich dann konfigurieren und man kann neue Apps installieren.

Die vorhandenen Apps sind momentan noch recht übersichtlich - viele sind schlicht unnötig oder Spielerei. Praktisch ist die ChatOn-App für alle, die Samsungs Chatsoftware benutzen, ja der Schrittzähler und Runtastic könnten auch praktisch sein, wenn man nicht trotzdem das Smartphone dabei haben müsste. Was allerdings der Weinscanner soll, der Weinflaschen im Regal fotografiert und dann anzeigt, um welchen Wein es sich handelt? Wir wissen es nicht.

Die wirklichen Stärken der Galaxy Gear zeigen sich, wenn man das Gerät als Verlängerung des Smartphones betrachtet. Mit einem dezenten Vibrieren am Handgelenk zeigt die Gear eingehende Nachrichten, E-Mails und Anrufe an. Mit einem Wisch erscheinen sie auf dem kleinen Bildschirm. Volltextanzeigen oder gar Bilder sollte man aber nicht erwarten. Auch brechen die E-Mails nach einer bestimmten Zeilenanzahl ab und es bleibt nur die Option, sich die komplette Mail auf dem Smartphone anzeigen zu lassen. Antworten kann man mit der Galaxy Gear übrigens nur per Sprachsteuerung S-Voice. Das funktioniert überraschend gut, hat aber auch einige Tücken. Zwar erkennt die Software langsam gesprochene Texte recht gut und setzt sie auf weitgehend fehlerfrei um. Doch manche Namen, regionale Wörter und Slang versteht S-Voice nicht.

Dazu kommt noch, dass der gesprochene Text zunächst zur Analyse auf Samsung-Server geschickt wird. Das ist in zweierlei Hinsicht schlecht. Erstens dauert es recht lang - je mehr Text, umso mehr Zeit braucht auch es, aus der Sprache Text zu generieren. Außerdem werden zur korrekten Funktion von S-Voice auch Kontaktdaten und ähnliches übertragen, sowie Sprachprofile angelegt. Aus Datenschutzgründen ist das - ähnlich wie bei Apples Assistent Siri - ziemlich bedenklich. Hat man den Text dann endlich auf dem Display, lassen sich Fehler leider nur schwer per Sprachsteuerung korrigieren. Fazit: Gut für kurze Nachrichten. Längere Konversationen und Romane bitte nicht in die Gear diktieren.

Besser als beim Diktieren von Nachrichten funktioniert die Galaxy Gear als Handset für Sprachanrufe. Und man braucht sich nichtmals in Knightrider-Manier die Uhr vor den Mund zu halten - ganz normal sprechen bei was immer man gerade auch tut, reicht völlig. Die Sprachqualität ist in der Regel gut bis ziemlich gut. Viele der Angerufenen merkten gar nicht, dass nicht ins Telefon gesprochen wurde. Negativ fällt dabei allerdings der Lautsprecher auf. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen knarzt er gelegentlich ziemlich heftig.

Doch die Gear kann mehr als nur Anrufe und Nachrichten weiterzuleiten. Man kann sie auch benutzen um Kontakte anzurufen oder per Bildschirmtastatur Nummern eintippen. Da der Bildschirm recht klein ist, geht das am besten über die Sprachsteuerung mittels S-Voice. Die funktioniert mittlerweile ziemlich gut - eine stabile Internetverbindung vorausgesetzt. Zweimal den seitlichen Knopf der Gear betätigen, "Anrufen Max Mustermann" sagen und schon wählt die Uhr. Naja, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die Reaktionszeit ist noch relativ langsam und wenn der Angerufene keinen Standardnamen à la Max Mustermann hat, geht es gelegentlich schief. Manchmal verhindert schon die Schreibweise der Namen die richtig Spracherkennung. Etwa der dänische Name Birthe, der auch in Deutschland gebräuchlich ist. In der Schreibweise mit "th" erkennt die Gear den Namen nicht und gibt die Antwort "Dörte ist nicht in Ihrem Adressbuch". Speichert man den Namen ohne das "th" und nur mir "t", geht es. Auch iranischstämmige und indische Freunde konnten leider nur über Umwege per Sprache angerufen werden, norwegische Freunde gar nicht. Wie es scheint, ist die Spracherkennung der Galaxy Gear noch nicht wirklich international und damit auch nicht immer so richtig smart.

Ja, die Galaxy Gear erweitert den Funktionisumfang eines mit ihr gekoppelten Smartphones. Und zwar dahingehend, dass man nicht mehr ständig die immer größer werdenden Taschencomputer hervorziehen muss. Eine SMS oder E-Mail schnell auf dem Uhrendisplay angezeigt zu bekommen, ist praktisch, dass man allerdings nur per etwas hakeliger Sprachsteuerung antworten kann, ist weniger praktisch. Gäbe es die Möglichkeit, über den Bildschirm Daten einzugeben, wäre die Uhr wesentlich nutzerfreundlicher. Der begrenzte Funktionsumfang, die recht kurze Akkulaufzeit und der stolze Preis von rund 250 Euro sind auch keine wirklichen Verkaufsargumente. Was sie macht, macht die Galaxy Gear gut, noch ist aber viel Luft nach oben. Bislang lautet also das Urteil: Nach einer Woche am Handgelenk können wir nicht wirklich sagen, dass wir die Galaxy Gear vermissen würden.