Digitale Verunsicherung Von Champions, die andere siegen lassen
Zielsichere Tastenfolgen, rasante Mauswendungen, messerscharfe Displays. Gebannt starren die Spieler im Halbdunkel auf Bildschirme, auf denen die Figuren des Games ihren Eingaben gehorchen und miteinander kämpfen.
Dabei erbringen Pro- Gamer in Spielen wie Couter- strike, Halo, League of Legends oder Gran Turismo körperliche und mentale Höchstleistung: Rund 200 Aktionen pro Minute fordern Reaktion, Konzentration und Ausdauer.
Sport, Spiel, Spannung. Realistische Computerspiele zeigen, woran das Fernsehen gescheitert ist: Videoformate, deren Verlauf interaktiv beeinflusst werden kann. Während die TV-Sender sich noch darum bemühen, die Zuschauer am Dahindämmern zu hindern, indem sie sich per Chat, mit E-Mail oder — ganz altbacken — über Telefon ins laufende Programm einschalten, bestimmen die Spieler von Computerspielen längst komplette Handlungsstränge.
Die Szenarien der digitalen Spiele werden immer realistischer. VR-Brillen und Datenhandschuh, Helm und gefühlsechte Wearables lassen immer tiefer in die Gaming-Welt eintauchen. Millionen Fans folgen den Wettkämpfen und verehren Pro-Gamer wie Fatal!ty, Jaedong und Flash ebenso wie Spitzensportler in den Stadien.
Kein Wunder daher, dass renommierte Sportvereine wie Schalke 04 sich inzwischen eSport-Teams zulegen, um auch in den neuen Ligen mitzuhalten. Preisgelder und Ablösesummen, Werbung und Merchandising spielen die Investitionen wieder ein und machen eSport zum großen Geschäft. Anti-Doping-Kontrollen sollen verhindern, dass Psychopharmaka und Cheats die Gamer und Spielfiguren zum Sieg pushen. Die virtuelle Welt hat keine eigenen Gesetze, auch nicht im Leistungssport mit Tastatur und Maus.
eSport ist in der athletischen Realität angekommen. Hochkarätige Wettkämpfe mit eSportlern aus aller Welt füllen Hallen und Arenen von Korea über USA bis Deutschland und werden weltweit im Internet übertragen. Doch bei aller Faszination fehlt in Deutschland weitgehend die Akzeptanz der institutionellen Sportverbände und der traditionellen Sportpresse. Das Geschehen und die Berichterstattung beherrschen Ball und Turnschuh statt Maus und Tastatur. Die meisten Funktionäre und Journalisten haben die Dimension der neuen Sportkultur noch nicht begriffen. Ein Eigentor.