Eurovision Song Contest Sieg für Portugal beim ESC - Deutschland nicht Letzter

Kiew. Endlich hat es Portugal geschafft. mit der sanften Jazz-Ballade "Amar Pelos Dois", interpretiert von dem etwas eigenwilligen Sänger Salvador Sobral, den Eurovision Song Contest zu gewinnen.

Der Sieger des 62. Eurovision Song Contest Salvador Sobral aus Portugal

Foto: Julian Stratenschulte

1964 das erste Mal dabei, gehört das Land mit der längsten sieglosen Zeit endlich auch zum Kreis der Sieger des Musikwettbewerbes.

Nach der Eröffnung der Show durch die drei männlichen Moderatoren Wolodomyr Ostaptschuk, Oleksandr Skitschko und Timur Miroschnytschenko, die das Motto "Celebrate Diversity" (Vielfacht feiern) irgendwie so gar nicht darstellten, wurden alle 26 Finalteilnehmer des ESC vorgestellt. Und nachdem auch die erste ESC-Siegerin der Ukraine, Ruslana, ihre neue Single "It's Magical" vorgestellt hatte, konnte es losgehen:

Mit der Startnummer 1 ging Israel ins Rennen. Der gerade von den meist schwulen Fans angehimmelte Imri, gab sein "I Feel Alive" zum Besten. Der israelische Rundfunksender IBA allerdings fühlt sich nicht mehr lebendig. Mit dem ESC wird der Betrieb eingestellt. Da Israel nun keine Rundfunkanstalt mehr hat, die der EBU angehört, wird Israel erst einmal nicht mehr beim ESC dabei sein. Nur, was macht man bei einem Sieg Israels? Doch diese Frage stellte sich nach einer soliden Leistung allerdings nicht.

Der sogenannte Todesslot, die Startnummer 2, wurde der Polin Katia Moś zugelost. In einem weißen Kleid sang sie von ihrem "Flashlight", aber nicht sehr erfolgreich, so dass auch hier von der Tradition ausgegangen werden konnte, dass mit Startnummer 2 kein Sieg beim Eurovision Song Contest gelingen kann.

Naviband aus Weißrussland mit ihrem folkloristisch angehauchten in weißrussisch gesungenen Lied "Story auf My Life" animierten wie schon im Halbfinale zum Mitklatschen. Der Song geht ins Ohr. Eine gute Platzierung war wirklich möglich.

Die Alpenrepublik Österreich schickte den smarten Sänger Nathan Trent ins Rennen. Sein "Running On Air" kam sehr gut an, was auch an der mehr als sympathischen Ausstrahlung des Sängers lag, sowie an seinem guten Gesang.

Armenien mit der Starnummer 5 und seiner Sängerin Artsvik forderten die Zuhörer und Zuschauer, mit Ihnen zu fliegen. "Fly With Me" war ein mit Feuerspektakel inszeniertes folkloristisch angehauchtes Poplied, welches zwar ins Ohr, dort aber auch schnell wieder raus geht.

Die Startnummer 6 hatte das niederländische Trio O'G3NE. "Lights And Shadows" wurde mit einem Gefühl vorgetragen. Man fühlte sich an die früheren 90er Jahre zurückversetzt, als die Gruppe Wilson Philips ihre größten Erfolge hatte. Denn auch die Niederländerinnen klangen wie die Schwesternband aus den USA. Dem Publikum gefiel das mit wenig Tamtam inszenierte Lied.

Stimmungsmacher Moldawien heizte das Publikum ein. "Hey Mamma" hat das Zeug zu einem riesigen Sommerhit zu werden. Der Auftritt mit dem Groovefuß und den tanzenden Bräuten musste einfach gut ankommen. Ein Platz unter den ersten 5 war durchaus möglich.

Der Roma Joci Pápai trug sein "Origo" in seiner Landessprache ungarisch vor und fügte einige Teile in Romani ein. Der folkloristische Song mit seiner ganzen Darbietung mit Tanz und Feuer spiegelte die Feurigkeit des Puszta-Landes wieder und wurde mit ordentlichem Applaus belohnt.

Mit der Startnummer 9 kam dann Francesco Gabbani auf die Bühne. Er wollte mit dem Lied "Occidental's Karma" den 3. Sieg Italiens holen. Und die Chancen standen gar nicht mal so schlecht. Die Buchmacher sahen ihn ganz vorne und das Lied wird auch bei den Fans favorisiert. Der Gorilla auf der Bühne sowie der tolle Affentanz ließen die Arena beben.

Anja Nissen aus Dänemark sag die Powerballade "Where I Am". Optisch sowieso ein Leckerbissen unter Skandinavien-Liebhabern, konnte Anja auch mit ihrer gewaltigen Stimme glänzen. Allerdings könnte ihr zum Verhängnis werden, dass sie zwischen den beiden Favoriten Italien und Portugal starten musste.

Portugal schickte auf Position 11 einen Fado-Jazz-Song, der durchaus an die ESC-Zeit der 50er und 60er Jahre erinnerte. Salvador Sobrals kuriosen Körperbewegungen könnten sein "Amar Pelos Dois" in Gefahr bringen, denn wie springt der Zuschauer auf diesen Sänger an. Die Zuschauer im Saal jedenfalls jubelten ihm unter "Portugal Portugal" - Rufen frenetisch zu.

"Skeletons" hieß der Titel der Sängerin Dihaj, die damit den zweiten Titel in das Land des Feuers, Aserbaidschan, holen wollte. Wie bei Aserbaidschan nicht anders gewohnt, stimmte hier einfach alles, von der Optik über die Stimme bis hin zur Choreographie. Aber was sollte der Mann mit dem Pferdekopf auf der Leiter?

Die Stimmengewalt von Jacques Houdek aus Kroatien hatte schon im Halbfinale überzeugt, um dort einen Favoriten wie Estland hinter sich zu lassen. Der Titel "My Friend" hätte durchaus von Ralph Siegel sein können, kam aber im Gegensatz zum richtigen Ralph Siegel-Lied bei der 62. Ausgabe des ESC ins Finale und auch eine hohe Platzierung war nicht mehr unmöglich.

Australien mit Startnummer 14 schickte den bisher schwächsten seiner 3 Beiträge ins Rennen. Die Ballade "Don't Come Easy" von Isaiah kam trotzdem sehr gut beim Publikum an und wurde mit viel Beifall bedacht.

Demy aus Griechenland tanzte besser als sie sang. "This Is Love" erinnerte sehr stark an den deutschen Beitrag 2013 von Cascada. Aber sie würde besser abschneiden. Dafür würden die Griechen in Europa schon sorgen.

Spaniens Manuel Navarro konnte einem schon leid tun. Sein Song "Do It For Your Lover" wurde von den Fans nicht akzeptiert. Bei einer skandalösen Vorentscheidung hat sich dieses Lied gegen den Willen des Volkes durchgesetzt. dies quittierten sie jetzt beim ESC zum Teil mit Buh-Rufen. Obgleich das Lied für durchgekiffte Surfer das Nonplusultra sein könnte, insgesamt war es nicht das Gelbe vom Ei.

Norwegen schnappte sich den Moment im Halbfinale und zog zur Überraschung vieler ins Finale ein. "Grab The Moment" von JOWST feat. Aleksander Warmann ist ein zeitgemäßes Synthie-Pop-Lied, welches sich durchaus zu einem internationalen Hit entwickeln kann. Für viele war der Titel nach dem Auftritt sogar ein Top Ten-Anwärter.

Das Vereinigte Königreich schickte den Titel "Never Give Up On You" aus der Feder von Emmelie de Forest, ESC-Siegerin von 2013. Die Interpretin Lucie Jones legte einen perfekten Auftritt hin und die Halle tobte. Sollte hier eine Überraschung möglich sein und 20 Jahre nach dem letzten Sieg erneut die Siegestrophäe geholt werden?

Die Startnummer 19 hatte Zypern mit seinem Sänger Hovig und dem Titel "Gravity". Das Lied und die Inszenierung erinnerten ein wenig an Belgiens Beitrag 2015, war aber sehr gut inszeniert und stimmlich in Szene gesetzt.

Im Anschluss daran kam wieder Stimmung auf. Rumäniens Lied "Yodel It!" von Ilinca feat. Alex Florea stimmte den ganzen Saal darauf ein, mit zu jodeln und das Publikum ging mit. Der Crossover von modernem Rap und volkstümlicher Musik kam sehr gut an.

Deutschland folgte auf Rumänien. Levina sang von einem "Perfect Life", welches in erster Linie bei dem diesjährigen ESC bedeuten musste, nicht das Triple zu machen, indem nach den letzten Plätzen 2015 und 2016 erneut die Rote Laterne ergattert wird. Das Publikum klatschte das Lied die ganze Zeit mit und es gab Grund zur Annahme, diesem Unheil zu entgehen.

Als die Ukraine an der Reihe war, gäbe es für die Zuschauer kein Halten mehr, es wurde geklatscht auf Teufel kaum raus. Das lag allerdings daran, dass der ESC in Kiew, also in der Ukraine stattfand und nicht am Lied "Time" der Gruppe O. Torvald. Die Hardrock-Töne werden wohl so manchen verschreckt haben.

Belgiens Blanche besang auf Startplatz 23 ihre "City Lights" und hatte ihre Stimme diesmal besser im Griff als noch im Halbfinale. Der düster wirkende Popsong wurde besonders bei den Fans hoch gewettet, bei den Buchmachern spielte sie keine große Rolle, was einen Sieg betraf. Trotzdem stellt sich hier immer noch die Frage, was die ganzen Armbewegungen sollten.

Schwedens Robin Bengtsson präsentierte seine Nummer "I Can't Go On", die durchaus ein Justin Timberlake-Lied sein könnte. Und da ja nicht weitergehen kann, musste diese Nummer auf einem Laufband vorgeführt werden. Stimmlich besser als noch im Halbfinale war der Weg nach oben wieder frei. Aber ob Robin diesen Weg gehen kann, sollten die Juries und Televoter entscheiden.

Nach dem Schweden kam der dritte der drei hochgehandelten Favoriten. der erst 17 Jahre alte Kristian Kostow aus Bulgarien mit seiner einfühlsamen und trotzdem erstaunlich sicher präsentierten Hammerballade "Beautiful Mess". Grün, weiß und rot werden wohl die Farben der Flagge des Siegerlandes beinhalten.

Das letzte Lied des Abends kam von Alma aus Frankreich. "Requiem", ein toller Uptempo-Song wurde sowohl in französischer als auch mit englischen Passagen gesungen. Ein Fehler, denn dadurch hört sich das Lied beim Übergang ins Englische wie abgehackt an.

Alle Beiträge waren vorgestellt worden und nun lag es an den Fernsehzuschauern, den ESC-Sieger2017 zu küren. Die Telefonleitungen blieben in der Zeit des Auftritts von Vorjahressiegerin Jamala noch offen, während der Aufführung von ONUFA und NAOFI waren sie bereits geschlossen, um die Auszählung vornehmen zu können.

Spannend blieb während de Punktevergabe eigentlich nur der Kampf um Platz 2. die Juries sahen den Portugiesen mit großem Abstand auf Platz 1. Der Trend bei den Televotern gab dies wieder. Auch hier gewann der Portugiese. Somit gewann Portugal mit der Rekordpunktzahl von 758 Punkten zum ersten Mal den ESC vor den Beiträgen aus Bulgarien und Moldawien. Alle drei Länder erreichten somit ihre bisherige Höchstplatzierung beim Eurovision Song Contest. der große Favorit aus Italien landete nur auf Platz 6, eine Enttäuschung mit Sicherheit nicht nur für ihn.

Deutschland konnte sich nicht vom Tabellenende verabschieden, magere 6 Punkte bedeuteten aber nicht den letzten Platz, sondern Platz 25.

Leider darf auch dieses Jahr wieder davon ausgegangen werden, dass der Siegertitel nicht seinen Weg ins Radio finden wird. es war ein Siegertitel für den Moment. dem ESC würde aber auch mal wieder ein Erfolg guttun, dessen Siegertitel den Weg in die internationalen Hitlisten findet. Somit war der Sieg Portugals ein weiterer Schritt zurück. Vielleicht wird ja auch der ESC 2018 wieder in schwarz/weiß ausgestrahlt. Weit von der Anfangszeit des ESC ist man nicht mehr entfernt.

Kurioses am Rande: Als damals amtierender Fußball-Europameister der Herren schaffte Griechenland 2005 seinen ersten ESC-Sieg in Kiew. Dieses Kunststück gelang jetzt auch Portugal. Und beide Länder haben sich den Fußball-EM-Titel durch einen 1:0 Sieg über den EM-Gastgeber geholt.