Vertreibt Jamie-Lee die Geister vom letzten Mal?

Stockholm (dpa) - In Astrid Lindgrens Heimatstadt Stockholm, sollte man meinen, ist nur einer hoch oben auf den Dächern unterwegs: Karlsson vom Dach.

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Die Frau, die dort jetzt auf dem Dach herumturnt, bewegt sich dort oben nicht ganz so selbstverständlich wie der Mann mit dem Propeller auf dem Rücken. Ein ungewöhnlicher Typ ist Jamie-Lee Kriewitz, die am Samstag (14. Mai) für Deutschland beim Eurovision Song Contest antritt, aber auch. Mit ihrem bunten Manga-Stil sticht sie aus der Menge heraus. Das könnte ein Vorteil sein in dem Wettbewerb, in dem es auch ums Auffallen geht.

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Die Sightseeing-Tour über den Dächern der Stadt, auf der die 18-Jährige Anfang der Woche unterwegs ist, gehört zum Jamie-Lee-Wohlfühlprogramm, das die deutsche ESC-Delegation für sie zusammengestellt hat. Damit sie vor dem großen Tag nicht zu nervös ist, soll sich die Schülerin amüsieren, während ihre Managerin besorgt um sie herumwuselt.

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Gut gesichert mit Klettergeschirr und Helm auf dem Kopf spaziert der Teenager auf dem Dachgiebel des Gebäudes auf Riddarholmen, der Ritterinsel, herum, während die Tourleiterin erzählt, dass es hier mal gespukt haben soll. Zum Glück hat Jamie-Lee keine Höhenangst. Nur dass sie den Helm aufsetzen soll, findet sie nervig. Und noch etwas ist wichtig: „Nicht von hinten fotografieren!“

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Im Mickey-Maus-T-Shirt und mit schwarzen Shorts hat sie vorher schon den Freizeitpark Skansen herumgealbert. Mit der Konkurrenz aus Dänemark ist Jamie-Lee Achterbahn gefahren. Wirklich entspannt wirkt sie aber erst, als ein schwarzes Auto vor der Birger-Jarl-Statue auf Riddarholmen vorfährt und Michael „Michi“ Beck (48) aussteigt. Dann taucht auch noch Smudo (48) auf. Die Sänger der Hip-Hop-Band Die Fantastischen Vier145 waren Jamie-Lees Coaches bei der Castingshow „The Voice“, die die überzeugte Veganerin im letzten Jahr gewann. Jetzt sind sie als „Kumpel“ zu Jamies Unterstützung nach Stockholm gereist.

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„Es ist krass, was in sechs Monaten oder weniger alles passieren kann“, sagt Michi, der sich an seine erste Begegnung mit der Schülerin erinnert, einem „relativ verschüchterten Mädchen mit Metall in den Mundwinkeln, und jetzt stehen wir hier kurz vorm ESC“. Auch die früheren Mentoren haben in diesen Tagen vor allem eine Aufgabe: Jamie-Lee zu beruhigen. Und die Werbetrommel für deren Album „Berlin“ zu rühren, hinter dem „Fanta Vier“-Produzent DJ Thomilla steht.

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Als Jamie-Lee am Dienstag die deutsch-schwedische Schule besucht, sitzen die „Fantas“ links und rechts von ihr. Auf dem Boden und Holzbänken hocken dicht gedrängt 200 Schüler. Fünftklässler kreischen und wedeln mit Deutschland-Flaggen mit Jamies Konterfei darauf. Sie haben Plakate gemalt. „Du schaffst das“ steht darauf. Die Älteren stellen Fragen, die Teenager interessieren: Sind deine Freunde anders zu dir, jetzt, wo du berühmt ist? Wie bist du Veganerin geworden? Hast du einen Freund? Bei der letzten Frage druckst die 18-Jährige herum. Das sei bei ihr sehr „unspannend“. Die Schüler kichern.

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Einige Stunden später steht Jamie-Lee vor einem riesigen Gemälde des schwedischen Künstlers Carl Larsson in der Villa Ekarne, der Residenz des deutschen Botschafters. Zum x-ten Mal in diesen Tagen singt die Schülerin ihren Song „Ghost“. Die „Eichenvilla“ hat einmal dem Abba-Manager Stikkan Andersson gehört - ein gutes Omen?

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Auch der 17-jährige Schwede Frans schaut in der Villa vorbei. Er soll am Samstag den Titel für Schweden verteidigen und verteilt großzügig Lorbeeren an die die Konkurrenz aus Deutschland: „Ihr Song ist sehr gut.“ Durchsetzen muss sich Jamie-Lee am Samstag nicht nur gegen ihn, sondern zum Beispiel auch gegen die Künstler aus Österreich und den Niederlanden, die sich beim ersten Halbfinale am Dienstag qualifiziert haben. Das zweite Halbfinale steht am Donnerstag an.

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Jamie-Lee muss erst im Finale ran. Das muss sie allerdings ohne Smudo und Michi meistern: Am Mittwoch waren die beiden schon wieder abgereist. Dafür hat sie am Wochenende ihre richtige Familie an ihrer Seite, wenn die Schülerin im Manga-Kostüm auf der ESC-Bühne steht. Und wenn Deutschland nach dem Reinfall von 2015 mit Kandidatin Ann Sophie und „Black Smoke“ in diesem Jahr wieder null Punkte holt? Karlsson vom Dach würde sagen: „Das stört doch keinen großen Geist.“