„Die gehobene Gastronomie hat die Kultur weitestgehend verdrängt“

Düsseldorf. Mike Neubauer macht am liebsten Urlaub am Paradiesstrand. Der Designer schätzt die Kneipenlandschaft rund um die Bilker Kirche.

Foto: Judith Michaelis

Wie vielfältig ist das kulturelle Leben in Unterbilk/Hafen?

Mike Neubauer: Im Gegensatz zum „alten“ Hafen, in dem es viele Off-Orte gab sowie Ateliers und geheime Hinterhöfe oder Hallen, existieren dort heute nur noch wenige Orte der Kultur. Die gehobene Gastronomie hat sich das Areal erobert, und die Kultur weitestgehend verdrängt. Dies gilt in etwas verminderter Form auch für Unterbilk, wobei die Mischung hier deutlich heterogener ist. Hier gibt es noch den einen oder anderen kleinen Lichtblick, und es gibt ganz bestimmt noch viele, die auch mir verborgen geblieben sind. Was sich aber auf jeden Fall lohnt, ist mal tiefer in den Hafen hineinzufahren, wo noch richtig gearbeitet wird, da gibt es zumindest bauspezifisch ein paar Leckerbissen, auch die Atmosphäre ist sehr speziell. Und natürlich liegt dort auch der „Paradiesstrand“ der beste Platz zum Urlaub machen in Düsseldorf.

Wo spielt abends die Musik?

Neubauer: Rund um die Bilker Kirche hat sich eine angenehme Kneipenlandschaft gebildet, die besonders an lauen Sommerabenden zum Verweilen einlädt. Auch das Modigliano ist seit ewigen Zeiten ein angenehmer Ort, und im Wojaja an der Bachstraße gibt es tatsächlich ab und zu noch Live-Musik. Der Schwerpunkt liegt aber klar auf Essen und Trinken, weniger auf Kultur.

Wo bekommt man sein kleines intellektuelles Abenteuer?

Neubauer: Aktuell gibt es im Henkelmann an der Friedensstraße die Vinylpredigten von Haru Specks, super! Es gibt kleine Vorträge kombiniert mit den passenden Vinylscheiben. Er präsentiert thematisch zusammenhängende Musikevents und versorgt die Hörer mit zeitgeschichtlichem Hintergrund sowie Infos über die Musik. Haru Specks ist Schallplattenaufleger, Verfechter des Wahren, Guten und Schönen. Seine Veranstaltungen heißen „Es werde Bass!“ oder „Snowden vs. NSA — von Menschen und Göttern“. Er tourte 2012 als menschliche Jukebox durch die Düsseldorfer Kneipenlandschaft, für ihn ist das Vinyl heilig.

Wo wird die Lust auf Bilder befriedigt?

Neubauer: Galerien gibt’s nicht. Jedoch kann ich die Nordrhein- Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste auf der Palmenstraße empfehlen. Es ist ein wunderschönes Gebäude, und hier gibt es wechselnde Ausstellungen zu Kunst und Wissenschaft, sowie Vorträge von Mitgliedern der Akademie, wiederum zu wissenschaftlichen oder künstlerischen Themen. Dieser Ort ist leider nicht sehr bekannt, lohnt sich aber. Man sollte sich nur vorher erkundigen, ob es gerade eine Ausstellung, Vortrag oder eine Diskussionsrunde gibt (www.awk.nrw.de).

Mein Kulturliebling. . .

Neubauer: Das Büchertauschregal am Friedensplatz! Ein Kleinod der Kultur. Ein Buch in das Regal stellen, ein neues mitnehmen, und vielleicht noch mit anderen Tauschern über die Bücher quatschen. Man kann dort alle Arten von Büchern finden. Da es keine spezielle Fachrichtung gibt, kann man auch zu ganz überraschenden Neuentdeckungen kommen.

Welcher ist der Höhepunkt des Jahres?

Neubauer: Die jährlichen Lorettostraßenfeste Frühlingserwachen (März), Mittsommer (Juni) und Indian Summer (September). An diesen Tagen ist die Lorettostraße, sofern das Wetter mal mitspielt, voll, und viele Läden, Kneipen und Restaurants lassen sich etwas Besonderes einfallen. Hier kann es dann auch kleine Konzerte, Lesungen oder themenbezogene Ausstellungen geben. So würde ich es mir das ganze Jahr wünschen.

Wo trifft man sich?

Neubauer: Bei Seifen Horst, Frl. Buntenbach, Frida, Kaffeepiraten — also am Dreieck an der Bilker Kirche. Dort gibt es je nach Laune, Uhrzeit und Wochentag höchst verschiedene Angebote nah beieinander, dazu nette Leute und gute Unterbilk-Stimmung. Bei Frl. Buntenbach findet noch ab und zu Kleinkunst in Form von Comedy statt.