Die Séparées der Stars und Diven
Hildebrand braucht Ruhe, Alsman spielt Karten: Auch Künstlergarderoben sind Bühnen. Zum Auftakt ein Gespräch mit dem Savoy-Chef.
Düsseldorf. Die Geschichten, die sich in Künstlergarderoben abspielen, könnten Regalwände, ach was, ganze Bibliotheken füllen. Es muss sie nur irgendwer erzählen, worin schon die erste Schwierigkeit besteht, denn die Garderoben der Operndiven, Rockmusiker und Theaterstars markieren die Schnittstelle zwischen Publikum und Intimität. Sie enthalten gerade genug Privatsphäre für einen Augenblick des Ganz-Bei-Sich-Seins und schon wieder so viel Öffentlichkeit, dass das Lampenfieber allgegenwärtig ist.
Einer, der seit fast 30 Jahren in diesem Grenzbereich ein- und ausgeht, ist der Leiter des Savoy-Theaters, Stefan Jürging. Er hat sich als Schüler mit Boxenschleppen sein Taschengeld verdient und mit 18 große Musikveranstaltungen abgewickelt. Jürging fallen viele Geschichten ein, und ein paar erzählt er auch.
Über einige Begegnungen staunt er bis heute. Zum Beispiel über die mit Marius Müller-Westernhagen 1987. „Wir hatten das Konzert wegen der großen Nachfrage vom Tor 3 in die Philipshalle verlegt“, erzählt Jürging. „Dort gab es eine Künstlergarderobe mit einer schicken Ledergarnitur. Als Westernhagen am Konzertabend um 18 Uhr eintraf, hieß es, er habe eine Lederallergie. Also mussten wir die komplette Einrichtung austauschen.“
Auch Prince zeigte eine sehr spezielle Vorstellung von Aufenthaltsqualität. Er trat 1986 in der Essener Grugahalle auf und ließ durch sein Management mitteilen, dass er vor seinem Auftritt gern „ein bisschen Sport“ treibe. Also besorgten Jürging und seine Kollegen auf die Schnelle eine Fitness-Studio-Ausstattung für den extrovertierten Sänger, der sich mit einer Limousine bis vor die Künstlergarderobentür kutschieren ließ. „Der Aufzug war so angelegt, dass ein Auto spielend dort hineinpasste“, sagt Jürging.
So viel Extravaganz muss die charmante Künstlergarderobe, die heute in seinem Savoy-Theater die prominenten Gäste empfängt, nicht aushalten. Sie liegt wie fast alle diese Räume gleich neben der Bühne. Daraus ergibt sich ein anderes Charakteristikum, das ebenfalls für die meisten Künstlergarderoben gilt: Sie haben keine Fenster. Das hätte eine Gruppe weiblicher Comedians, die einmal im Savoy auftraten, gerne anders gehabt. Aber Tageslicht konnte Jürging beim besten Willen nicht liefern.
Das Zimmer ist theaterrot eingerichtet — roter Sessel, rote Stühle, rotes Sofa, roter Schminkspiegel. Die ebenfalls roten Wände stammen von dem Bühnenbild, das Jürgen Gosch für seine Maria-Stuart-Inszenierung am Schauspielhaus einst nutzte. Es gibt einen Kühlschrank, einen großen Tisch und ein Bügelbrett. „Wer viel auf Tour ist, kann ja schlecht zu Hause bügeln“, sagt Jürging. Ansonsten ist alles sehr aufgeräumt. Schade eigentlich. Nirgends eine Spur chaotischer Bohemiens, keine Bierflasche, kein Pizzakarton.
Dafür liegt im Regal ein Kartenspiel. Es gehört der Götz-Alsmann-Band, die regelmäßig im Savoy-Theater zu Gast ist. „Die Jungs kommen um 16 Uhr an, machen bis 17 Uhr Soundcheck und kloppen dann bis zum Konzertbeginn Karten“, sagt Jürging. Der Bassist der Band, ein 2,05-Meter-Mann, schenkt ihm nach jedem Auftritt sein Bühnenoutfit. Die Anzüge hängen allesamt im Büro des Savoy-Chefs.
Ein guter Draht zu Künstlern und Management ist wichtig und wird von dem promovierten Musikwissenschaftler Jürging professionell gepflegt. Trotzdem lernte auch er noch dazu. „Ich habe anfangs die Künstler vollgequasselt.“ Das lässt er heute, denn Menschen wie Dieter Hildebrand und Peter Ustinov wollten ihre Ruhe haben. „Hildebrand schreibt oft noch bis 19.30 Uhr an seinem Text.“
Andere wiederum sind gern in Gesellschaft. „Gitte zum Beispiel hat immer ihre Mutter mitgebracht, als sie noch lebte.“ Die alte Dame wurde mit Whisky versorgt. Den trank sie so gerne, wie sie Zigaretten rauchte.
Fans und Autogrammjäger haben keinen Zutritt zum Rückzugsraum der Künstler. Also bringen sie ihre Verehrung mit Geschenken zum Ausdruck, die sie in die Künstlergarderobe liefern lassen. In der Regel sind das Blumen. Aber auch das Können des Konditors Maushagen wird häufiger bemüht. „Ein Stück Torte isst fast jeder Künstler gern.“