Interview mit Nora Schlocker: „Ich bin sehr verliebt in Schauspieler“

Die 27-jährige Nora Schlocker gehört zum Team der Hausregisseure von Staffan Holm. Ihr Chef sagt: „Alle wollen sie haben.“

Nora Schlocker: Frau Schlocker, der neue Intendant Staffan Holm sagt, dass alle Sie haben wollen. Jetzt bekommt Düsseldorf Sie als Hausregisseurin. Was gab den Ausschlag?

Nora Schlocker: Das liegt weniger an der Stadt, die ich noch kaum kenne, sondern an der Zusammensetzung der neuen Leitung des Schauspielhauses. Ich habe mich mit Staffan Holm und den Dramaturgen Stefan Schmidtke und Almut Wagner getroffen, und die Kombination dieser Leute hat mich sehr begeistert.

Warum?

Schlocker: Es ist die Art, wie sie selbst auf Theater schauen, wie sie sich begeistern können und wie wenig abgeschmackt sie innerhalb des Theaterbetriebs sind. Das hat mir imponiert.

Interessant ist Ihre Rolle in der Regisseuren-Riege in Düsseldorf. Sie sind die einzige Frau.

Schlocker: Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich auch eine gewisse Funktion erfülle. Trotzdem wird mir überhaupt nicht suggeriert, dass ich die junge Frau, das Baby in der Runde bin. Zudem hebelt sich diese einzige Frauenrolle auch sehr schnell aus, wenn man die Regisseure um die Dramaturgen erweitert.

Beschreiben Sie Ihre Handschrift als Regisseurin.

Schlocker: Ich bin jemand, der Geschichten erzählt. Jemand, der nicht nur über die Regie-Idee Zugriff auf ein Stück findet. Mir ist es wichtig, in einen Dialog mit den Zuschauern zu treten. Ich bin verliebt in Schauspieler und sehne mich nach Ensembletheater.

Liegt Ihnen ein Thema besonders am Herzen?

Schlocker: Ich merke, dass ich einen stark weiblichen Blickpunkt habe. Zum Beispiel jetzt „Madame Bovary“ oder auch die „Medea“-Trilogie. In „Liliom“ war mir die Julie-Figur fast wichtiger als der Liliom. Eine meiner Lieblingsinszenierungen war „Geschichten aus dem Wienerwald“, da stehen oft sehr starke, fast schon terroristische Frauenfiguren im Mittelpunkt. Wo steht wer wann draußen? Das ist mein starker Bezugspunkt.

Staffan Holm sagt, Musicals und Autorenlabor will er nicht. Was schließen Sie aus?

Schlocker: Da decken sich unsere Geschmäcker erstaunlich gut.

Was bedeutet ein Intendantenwechsel für eine Stadt?

Schlocker: Er kann einen neuen Blick auf Theater ermöglichen. Ich hoffe, dass wir andere Zuschauer für uns aufschließen können und neugierig machen. Es ist toll, weil alle nicht wissen, was auf sie zukommt. Die Erwartungen sind sehr gemischt und unkonkret. Das kann für uns nur die beste Voraussetzung sein.

Wer könnte die neue Zuschauergruppe in Düsseldorf sein?

Schlocker: Mein Eindruck ist, dass es ein sehr gebildetes, sehr interessiertes Publikum gibt, das in einer gewissen Form auch kritisch dort sitzt. Ich habe relativ wenig von den Kunstleuten mitbekommen und von Menschen meiner Generation. Die interessieren mich besonders, wenn ich in eine Stadt wie Düsseldorf gehe.

Was kann ein Stadttheater leisten?

Schlocker: Mir ist wichtig, dass man sich mit dem Ort auseinandersetzt. Dass man für die Leute spielt, die dort leben. Die überregionale Bedeutung kann sich bestenfalls einstellen. Das Besondere an unserem Versuch für Düsseldorf liegt in unserer Konstellation: Darin, Dinge zu machen, die üblicherweise nicht am Stadttheater stattfinden, und eben die zu mischen mit einem sehr schauspielerbezogenen Ensembletheater. So haben die Leute bei uns etwa die Möglichkeit, einen mexikanischen Regisseur zu sehen, den es sonst nicht zu sehen gibt, Spielweisen zu erleben, die unseren Sehgewohnheiten fremd sind.

Sie kennen das Rheinland nicht. Was verbinden Sie mit Düsseldorf?

Schlocker: Es wird für mich auf eine Art sehr schön sein, anders sozialisierte Menschen zu treffen. Düsseldorf hat viel mehr Geld als die Städte, in denen ich bisher gearbeitet habe. Das spürt man in der Kunst, im Theater selbst. Ich hoffe, dass der Kontakt mit der bildenden Kunst befruchtend wird. Meine Mutter ist Kunstkritikerin und daher bin ich in dieser Hinsicht sehr geprägt. Seit ich ein Kind bin, habe ich viel Zeit in Galerien und vor großen Bildern verbracht. Ich glaube, Düsseldorf hat eine hohe Lebensqualität.